Entscheidungsstichwort (Thema)

Minderung des Arbeitslosengeldes. verspätete Meldung. frühzeitige Arbeitsuche. unverschuldete Rechtsunkenntnis. Belehrungspflicht

 

Orientierungssatz

1. Systematische Gründe und Sinn und Zweck der §§ 37b, 140 SGB 3 sprechen dafür, dass der Arbeitnehmer seine Verpflichtung zur unverzüglichen Meldung nicht verletzt, wenn er sich aufgrund unverschuldeter Rechtsunkenntnis nicht innerhalb der gebotenen Handlungsfrist beim Arbeitsamt meldet (vgl BSG vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R = BSGE 95, 8 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1). Insoweit kommt es auf die subjektive Kenntnis bzw das Kennenmüssen des Arbeitsuchenden (BSG, aaO) sowie auf die Belehrungspflichten an, die der Gesetzgeber dem Arbeitsamt auferlegt, bevor aus Obliegenheitsverletzungen des Arbeitslosen nachteilige Rechtsfolgen für seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld eintreten können.

2. Eine Rechtsfolgenbelehrung darf sich insbesondere nicht auf eine formelhafte Wiederholung des Gesetzestextes beschränken.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.10.2007; Aktenzeichen B 11a/7a AL 44/06 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 08.03.2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Minderung des an die Klägerin vom 27.07. bis 24.10.2004 gezahlten Arbeitslosengeldes (Alg) um 1.050,00 EUR wegen verspäteter Meldung als arbeitsuchend.

Die 1970 geborene Klägerin bezog erstmals aufgrund eines am 01.10.2003 entstandenen Anspruchs Alg bis 26.10.2003. Vom 27.10.2003 bis 26.07.2004 war sie als kaufmännische Angestellte bei der L GmbH in H in einem aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrags von Beginn an befristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt. Am 19.07.2004 meldete sich die Klägerin zum 27.07.2004 arbeitslos und beantragte Alg.

Mit Bescheid vom 09.08.2004 bewilligte die Beklagte ihr Alg ab 27.07.2004 nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 430,00 EUR und Leistungsgruppe A/0. Mit Schreiben vom 04.08.2004 erläuterte die Beklagte der Klägerin, dass sich der Anspruch auf Alg gemäß § 140 SGB III wegen verspäteter Meldung um 35,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung mindere. Da sie sich spätestens am 28.04.2004 hätte arbeitsuchend melden müssen, sie sich aber erst am 19.07.2004 gemeldet habe, sei ihre Meldung mithin 82 Tage zu spät erfolgt. Es errechne sich ein Minderungsbetrag von 1.050,00 EUR, der in Höhe von täglich 11,78 EUR von der auszuzahlenden Leistung einbehalten werde.

Mit ihrem am 19.08.2004 erhobenen Widerspruch trug die Klägerin vor, auf eine Verbesserung der Auftragslage bzw. eine Weiterbeschäftigung gehofft zu haben. Sie habe daher keine Veranlassung gehabt, sich vor der ausdrücklichen Bekanntgabe, dass ihr befristeter Arbeitsvertrag nicht verlängert werde, arbeitsuchend zu melden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Bei einem Bemessungsentgelt von 430,00 EUR ergebe sich ein Minderungsbetrag von 35,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung, längstens jedoch für 30 Tage, mithin ein Betrag von 1.050,00 EUR.

Am 20.09.2004 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg Klage erhoben und sich darauf berufen, dass der Gesetzgeber die Obliegenheiten für Arbeitnehmer in befristeten Arbeitsverhältnissen nicht hinreichend klar geregelt habe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 09.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2004 zu verurteilen, ihr für die Zeit ab 27.10.2003 (richtig: 27.07.2004) ungemindert Arbeitslosengeld zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung festgehalten.

Das SG hat mit Urteil vom 08.03.2005 die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 09.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2004 verurteilt, der Klägerin ab 27.07.2004 ungemindert Alg zu bewilligen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 14.03.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 07.04.2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor: Die Klägerin habe anlässlich ihrer Arbeitsaufnahme einen Aufhebungsbescheid erhalten, in dem sie auf ihre Pflicht zur unverzüglichen Arbeitsuchendmeldung hingewiesen worden sei. Am 18.08.2003 habe sie zudem unterschrieben, Kenntnis vom Merkblatt 1 für Arbeitslose genommen zu haben. Dieses habe ebenfalls den Hinweis auf die Pflicht zur frühzeitigen Meldung enthalten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 08.03.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt im Wesentlichen ihr Vorbringen, dass sie sich erst arbeitsuchend gemeldet habe, als aufgrund des Arbeitskräftebedarfs und der Auftragslage klar war, dass ihr Arbeitsvertrag nicht verlängert werden würde. Im Übrigen sei die gesetzliche Frist zur Meldung...

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