Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Streitgegenstand. Beteiligtenfähigkeit. Verfassungsmäßigkeit der Aufgabenzuweisung an kommunale Träger und Heranziehung der Gemeinden. Vermögensberücksichtigung. Lebensversicherung. erhöhter Grundfreibetrag nach § 65 Abs 5 SGB 2 nur für Ehegatten bei tatsächlicher Vollendung des 55. Lebensjahres. verfassungskonforme Auslegung

 

Orientierungssatz

1. Streitgegenstand der Klage auf Arbeitslosengeld II ist nicht nur der sechsmonatige Bewilligungszeitraum (§ 41 Abs 1 S 4 SGB 2), sondern der gesamte Zeitraum bis zur Entscheidung des Senats.

2. Ist zwar kraft gesetzlicher Delegation nach § 6a SGB 2 der Landkreis zugelassener kommunaler Träger für die Grundsicherung für Arbeitsuchende, hat dieser diese Aufgaben aber - hier nach § 5 Abs 2 SGB 2 AG NW 2004 durch Satzung - zur Entscheidung im eigenen Namen an eine Stadt delegiert, so ist die Stadt und nicht der Landkreis nach § 70 Nr 1 SGG als juristische Person Beteiligte des Verfahrens.

3. Weder die Zuweisung der Aufgaben an die kommunalen Träger nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 2 iVm § 6a Abs 1 SGB 2 noch die Heranziehung kreisangehöriger Gemeinden und Gemeindeverbände nach § 6 Abs 2 S 1 Halbs 1 SGB 2 begegnen verfassungsrechtlichen Bedenken.

4. Für Lebensversicherungen, deren Verwertung vor Eintritt in den Ruhestand nach der vertraglichen Gestaltung nicht ausgeschlossen ist und deren Rückkaufswerte die Beitragszahlungen überschreiten, kann der Freibetrag nach § 12 Abs 2 Nr 2 oder Nr 3 SGB 2 nicht berücksichtigt und von der Verwertung auch nicht nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB 2 abgesehen werden.

5. Unter verfassungskonformer Auslegung ist eine Erhöhung des Grundfreibetrages des § 12 Abs 2 Nr 1 SGB 2 gemäß der Übergangsregelung des § 65 Abs 5 SGB 2 für die in § 4 Abs 2 S 2 AlhiV 2002 genannten, vor dem 1.1.1948 geborenen Personen auch bei Ehepaaren nur bei dem jeweiligen Ehegatten zu berücksichtigen, der vor dem 1.1.1948 geboren ist (entgegen SG Berlin vom 25.10.2004 - S 77 AL 1761/04 = info also 2005, 29).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.04.2008; Aktenzeichen B 14/7b AS 56/06 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 01.03.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) II nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Der am 00.00.1947 geborene Kläger, der bis Februar 2002 als Holzfacharbeiter tätig war und bis zum 14.05.2005 Alg bezog, beantragte für die Folgezeit Leistungen nach dem SGB II. Er ist Eigentümer einer 118 qm großen Wohnung und zu einem Drittel Eigentümer des dazugehörenden Grundstücks mit einer Gesamtgröße von 2459 qm. Für den Kläger ist eine Lebensversicherung über 40.500,- Euro mit Fälligkeitsdatum 01.10.2007 abgeschlossen worden. Das Versicherungsunternehmen gab an, es seien Beiträge in Höhe von 13.264,58 Euro zum 01.08.2005 gezahlt worden, der Rückkaufswert belaufe sich zum 01.06.2005 auf 33.994,97 Euro. Des Weiteren besteht eine Lebensversicherung mit Fälligkeitsdatum am 01.10.2005, für die Beiträge in Höhe von 7.556,02 Euro gezahlt worden sind und ein Rückkaufswert in Höhe von 9.263,19 Euro angegeben wurde. Eine dritte Lebensversicherung des Klägers mit Fälligkeitsdatum 01.05.2008 hatte einen Rückkaufswert von 3.415,29 Euro bei eingezahlten Beiträgen in Höhe von 3.389,68 Euro. Die Ehefrau des Klägers ist am 00.00.1949 geboren und bezog bis August 2005 laufende Einkünfte aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 1.023,86 Euro netto. Im Anschluss an eine Sperrzeit bezieht sie seit dem 04.12.2005 Arbeitslosengeld. Sie hat eine Lebensversicherung über 15.677,- Euro mit Fälligkeitsdatum 30.09.2009 abgeschlossen, der Rückkaufswert betrug 10.433,14 Euro.

Mit Bescheid vom 25.07.2005 lehnte die beklagte Stadt B. die Gewährung von Leistungen ab. Zur Begründung führte sie aus, eine Hilfebedürftigkeit könne wegen der zu verwertenden vier Lebensversicherungen mit Rückkaufswerten von insgesamt 57.106,59 Euro nicht festgestellt werden. Nach Abzug des Grundfreibetrages in Höhe von 200,- Euro je vollendeten Lebensjahres des Klägers und seiner Ehefrau überschreite der Vermögensbetrag den Freibetrag, der pro Person jeweils bei 13.000,- Euro liege. Mit dem hiergegen am 16.08.2005 erhobenen Widerspruch machte der Kläger im Wesentlichen geltend, für ihn und seine Ehefrau seien erhöhte Freibeträge von 520,- Euro pro Jahr zugrundezulegen, so dass der zu berücksichtigende Grundfreibetrag in Höhe von 58.760,- Euro abzusetzen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2005 wies der beigeladene Kreis Borken den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass nach Abzug des Grundfreibetrages nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Höhe von 200,- Euro je vollendeten Lebensjahres seiner Ehefrau, des nach § 65 Abs. 5 SGB II erhöhten Freibetrages von 520,- Euro je vollendeten Lebensjahres für den Kläger sowie eines Betrages in Höhe von insgesamt 1...

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