Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuererstattung. Einkommen. Vermögen. Zufluss. Forderung. Ansparung. Einmalige Einnahme. Bewilligungszeitraum. Rücknahme. Verfügungssatz. Anhörung. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung. einmalige Einnahme. Aufteilung auf restlichen Bewilligungszeitraum. Heilung eines Anhörungsmangels. wirksame Nachholung durch Äußerungsmöglichkeit in der mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz des sozialgerichtlichen Verfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei einer Steuererstattung handelt es sich um Einkommen i.S.v. § 11 SGB II.

 

Orientierungssatz

1. Eine Steuererstattung ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2, welches als einmalige Einnahme gem § 2 Abs 3 AlgIIV im Zuflussmonat und den Folgemonaten (hier des restlichen Bewilligungszeitraumes) zu berücksichtigen ist.

2. Eine fehlende Anhörung nach § 24 Abs 1 SGB 10 ist nach § 41 Abs 1 Nr 3, Abs 2 SGB 10 wirksam nachgeholt und geheilt, wenn in der mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz des sozialgerichtlichen Verfahrens den Beteiligten ausdrücklich Gelegenheit gegeben wurde, sich (hier zur Aufhebung des Bewilligungsbescheides) zu äußern und der Hilfebedürftige sich im Übrigen zu den relevanten Umständen bereits im Widerspruchs- und Klageverfahren geäußert hat. Ein nochmaliger Hinweis auf die bereits bekannten Haupttatsachen durch den Leistungsträger unter Einräumung einer Äußerungsfrist und eine anschließende Entscheidung (Verwaltungsakt) über Bestätigung, Änderung oder Aufhebung des Eingriffs ist nicht notwendig und unterläuft die Regelung des § 41 Abs 2 SGB 10 (Abweichung von BSG vom 31.10.2002 - B 4 RA 15/01 R = SozR 3-1300 § 24 Nr 22).

 

Normenkette

GG Art. 20 Abs. 3; SGB II § 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 12 Abs. 1, § 40 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 1; SGB III § 330 Abs. 3 S. 1; SGB X § 24 Abs. 1, § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3; Alg-II-VO § 2 Abs. 3 S. 3; BSHG § 76; SGG § 96

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.12.2008; Aktenzeichen B 4 AS 48/07 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 18.08.2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob eine 2006 erfolgte Erstattung von im Jahre 2004 gezahlter Einkommensteuer als Einkommen im Rahmen der Berechnung der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu berücksichtigen ist.

Der am 00.00.1967 geborene Kläger war nach seinen Angaben bis Juni 2004 erwerbstätig. Seit dem 01.01.2005 bezieht er mit Unterbrechungen Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 03.02.2006 bewilligte ihm die Beklagte für den Zeitraum Februar bis Juli 2006 Leistungen i.H.v. monatlich 532,37 EUR (Regelleistung 345,00 EUR, tatsächliche Kosten für Unterkunft und Heizung 187,37 EUR).

Mit Bescheid für 2004 des Finanzamts B-Innenstadt vom 01.02.2006 wurde eine Zuvielzahlung an Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag im Jahre 2004 i.H.v. insgesamt 2.158,00 EUR festgestellt, die erstattet werde. Der Betrag wurde dem Girokonto des Klägers am 06.02.2006 gutgeschrieben.

Mit Bescheid vom 14.02.2006 hob die Beklagte "die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts" mit Wirkung vom 01.03.2006 auf. Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch; der Bescheid sei nicht hinreichend bestimmt und begründet. Mit Aufhebungsbescheid (Bescheid I) vom 16.03.2006 hob die Beklagte den Bescheid vom 14.02.2006 auf; weitere Einzelheiten seien einem gesondert zugehenden Bescheid zu entnehmen.

Mit Leistungsbescheid (Bescheid II) ebenfalls vom 16.03.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 532,37 EUR für Februar 2006 und von monatlich 160,17 EUR für März bis Juli 2006. Für März bis Juli wurde bei einem monatlichen Bedarf von 532,37 EUR (Regelleistung 345,00 EUR, Kosten der Unterkunft und Heizung 187,37 EUR) monatliches Einkommen von 372,20 EUR angerechnet.

Der Kläger erhob Widerspruch mit der Begründung, der Bescheid sei nicht rechtens, weil es sich bei einer Steuerrückerstattung um Schonvermögen handele.

Mit Bescheid vom 10.05.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger abermals Leistungen für Februar 2006 i.H.v. 532,37 EUR und für März bis Juli 2006 i.H.v. monatlich 160,17 EUR.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.05.2006 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.03.2006 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 10.05.2006 zurück. Der Kläger habe einen monatlichen Bedarf von 345,00 EUR Regelleistung sowie von 187,37 EUR für angemessene, tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, mithin einen Gesamtbedarf von monatlich 532,37 EUR. In den Monaten März bis Juli 2006 seien jeweils 372,20 EUR als Einkommen aus der Steuererstattung angerechnet worden. Im Februar sei ihm der Erstattungsbetrag von 2.158,00 EUR zugeflossen. Einmaliges Einkommen sei nach § 2 Abs. 3 Satz 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-VO) vom Zufluss...

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