Entscheidungsstichwort (Thema)

Kranken- und Pflegeversicherung. freiwilliges Mitglied. Beitragsbemessung. Beitragspflicht einer Unterhaltsabfindung. einmalige beitragspflichtige Einnahme. Zuordnung. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Eine Abfindung, die zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt gezahlt wurde, ist als einmalige Einnahme zu werten, die vom Zeitpunkt ihres Zuflusses dem jeweiligen Beitragsmonat mit einem Zwölftel des Betrages für 12 Monate zuzuordnen ist.

2. Die Verbeitragung von Unterhaltsabfindungen unter Aufteilung auf ein Jahr begegnet auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten keinen Bedenken.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.10.2022; Aktenzeichen B 12 KR 6/20 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.07.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in der Zeit vom 26.02.2017 bis 31.01.2018.

Die 1966 geborene Klägerin war bis zum 25.02.2017 bei der beklagten Krankenkasse familienversichert. Seit dem 26.02.2017 ist sie freiwilliges Mitglied. Zum 01.01.2018 nahm sie eine Berufstätigkeit im Rahmen eines sogenannten Minijobs auf, für die sie ein Entgelt von 280,00 EUR monatlich erzielt.

Die 1991 geschlossene Ehe der Klägerin wurde durch den seit dem 25.02.2017 rechtskräftigen Endbeschluss des Amtsgerichts X vom 13.01.2017 (x.) geschieden. In einer Trennungs- und Scheidungsvereinbarung vom 13.01.2017 trafen die Ehegatten Regelungen zum nachehelichen Unterhalt und zum Zugewinnausgleich. In § 1 der Vereinbarung verpflichtete sich der geschiedene Ehegatte, an die Klägerin zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt eine einmalige Abfindung in Höhe von 120.000,00 EUR zu zahlen. Die Klägerin erhielt im Übrigen einen Zugewinnausgleich in Höhe von 880.000,00 EUR abzüglich des Trennungsunterhalts für die Zeit ab dem 01.01.2017 in Höhe von 4.500,00 EUR.

Mit Bescheid vom 29.03.2017 bestätigte die Beklagte die freiwillige Mitgliedschaft der Kläger ab 26.02.2017 und setzte den Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung auf monatlich 774,30 EUR unter Zugrundelegung der Beitragsbemessungsgrenze iHv seinerzeit 4.350 EUR fest.

Die Klägerin legte unter dem 21.04.2017 Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, die Verteilung der von ihr im Rahmen der Trennungs- und Scheidungsvereinbarung vereinbarten Abfindung auf nur zwölf Monate sei nicht sachgerecht. Diese sei vielmehr über 120 Monate zu verteilen. Die Abfindung diene dem Ausgleich sämtlicher nachehelicher Unterhaltsansprüche. Da die Ehe 26 Jahre bestanden habe und sie nicht berufstätig gewesen sei, habe ihr ein nachehelicher Unterhalt für einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren zugestanden. Hierfür diene die Abfindung als Ausgleich. Die Verbeitragung der Abfindung über nur zwölf Monate führe zu einer unangemessenen Schlechterstellung einerseits gegenüber Personen, die ihren Unterhalt über einen längeren Zeitraum erhielten, und andererseits gegenüber Empfängern von Versorgungsbezügen als einmalige Kapitalleistung, bei denen die gesetzliche Regelung eine Verbeitragung über 120 Monate zulasse.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Es handele sich um eine einmalige Einnahme. Diese sei nach § 5 Abs 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler über zwölf Beitragsmonate zu verteilen. Eine Anwendung der Vorschriften über Versorgungsbezüge komme nicht in Betracht, denn es handele sich bei der Abfindung im Rahmen des nachehelichen Unterhalts gerade nicht um Versorgungsbezüge. Die Abfindung auf nachehelichen Unterhalt sei keine Leistung, die dem Ausgleich des Verlusts von Einkommen bei Ausscheiden aus dem Erwerbsleben diene.

Die Klägerin hat am 19.12.2017 Klage zum Sozialgericht Dortmund (SG) erhoben und ergänzend zu ihrem Vorbringen im Widerspruchsverfahren ausgeführt, ob und ggf wann sie eine hauptberufliche abhängige Erwerbstätigkeit aufnehmen könne, sei unklar, denn in ihrem ursprünglichen Beruf als Krankenschwester könne sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten. Die Verbeitragung über 120 Monate sei daher günstiger als über 12 Monate.

Mit Bescheid vom 22.12.2017 hat die Beklagte die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit ab dem 01.01.2018 auf 783,23 EUR monatlich neu festgesetzt. Seit Februar 2017 hat die Beklagte die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit ab dem 01.01.2018 auf 783,23 EUR monatlich neu festgesetzt. Seit Februar 2018 zahlt die Klägerin Beiträge unter Zugrundelegung der jeweiligen Mindestbeitragsbemessungsgrundlage (Bescheide vom 28.06.2018, 18.12.2018, 11.04.2019).

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 29.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2017 zu verurteilen, die Höhe des Gesamtbeitrags zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 26.02.2017 auf der Grundlage ei...

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