Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltendmachung des Erstattungsanspruches des Rentenversicherungsträgers bei überzahlter Leistung bei Tod des Berechtigten durch Verwaltungsakt. sozialgerichtliches Verfahren

 

Orientierungssatz

1. Ein Erstattungsanspruch nach § 118 Abs 4 SGB 6 idF vom 15.12.1995 war nach herrschender Auffassung nur über die allgemeine Leistungsklage geltend zu machen, da die Vorschrift keine gesetzliche Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsaktes enthielt (vgl BSG vom 29.7.1998 - B 9 V 5/98 R = SozR 3-2600 § 118 Nr 2 und BSG vom 20.12.2001 - B 4 RA 53/01 R = SozR 3-2600 § 118 Nr 9).

2. Darauf kann eine Rücknahmepflicht aber nicht hergeleitet werden. § 44 SGB 10 stellt den Betroffenen nicht in vollem Umfang so, als habe er rechtzeitig einen Rechtsbehelf gegen den Verwaltungsakt eingelegt. Sinn und Zweck dieser Vorschrift besteht darin, dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns Geltung zu verschaffen. Hierbei soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine Rücknahme des zur Überprüfung gestellten Bescheides nur insoweit in Betracht kommen, als sich bei der erneuten Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die Behörde zu Ungunsten des Betroffenen falsch gehandelt hat. Nicht Sinn und Zweck des Zugunstenverfahrens kann es sein, einem Versicherten oder einem Dritten mehr zu gewähren oder zu belassen, als ihm nach materiellem Recht zusteht. Eine auf Verfahrensfehler beruhende Rechtswidrigkeit des zur Überprüfung gestellten Verwaltungsaktes im Rahmen des § 44 SGB 10 löst keinen Rücknahmeanspruch aus, soweit der Verwaltungsakt der materiellen Rechtslage entspricht und die Rücknahme eines solchen Verwaltungsaktes ansonsten dazu führen würde, dass dem Betroffenen eine ihm rechtlich nicht zustehende Leistung verbleibt oder zuzusprechen wäre (BSG vom 28.5.1997 - 14/10 RKg 25/95 = SozR 3-1300 § 44 Nr 21, BSG vom 4.2.1998 - B 9 V 16/96 R = SozR 3-1300 § 44 Nr 24).

3. Bei einem mehr als 20 Jahre dauernde Überzahlungszeitraums sind nach Ansicht des Senats die Erwägungen hinsichtlich einer vorrangigen Inanspruchnahme des Geldinstitutes, soweit das Konto einen Minussaldo aufweist nicht übertragbar (vgl BSG vom 9.4.2002 - B 4 RA 64/01 R = SozR 3-2600 § 118 Nr 10 und BSG vom 8.6.2004 - B 4 RA 42/03 R).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 07.09.2006; Aktenzeichen B 4 RA 43/05 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.11.2003 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich im Wege einer Nichtigkeitsklage im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bzw. im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gegen ihre Inanspruchnahme auf Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 428.863,23 Euro (entspricht 838.783,57 DM).

Die 1924 geborene Klägerin ist die Schwiegertochter des am 00.00.1889 geborenen und am 27.03.1977 verstorbenen Versicherten F D. Dieser bezog auf der Grundlage eines Bescheides vom 24.01.1955 ab 01.12.1954 Altersruhegeld in Höhe von zuletzt (März 1977) 2.280,20 DM monatlich. Die Beklagte erlangte keine Kenntnis vom Tod des Versicherten, die Rente wurde entsprechend weiter in gesetzlicher Höhe gezahlt. Am 28.09.1979, 29.07.1983 und 21.02.1990 wurden Adressenänderungen bzw. Kontoänderungen dokumentiert (Bl. 66, 77 ,82 VA). Von der Beklagten wurden darüber hinaus an die Anschrift des Versicherten in S Glückwunschschreiben wegen Vollendung des 90., 95., 100., 101., 102. Lebensjahres übermittelt und postbare Sonderzuwendungen bzw. Ehrengaben gezahlt (vgl. 81, 84, 86, 89, 91 VA).

Durch einen Anruf des Postrentendienstzentrums L vom 12.09.1997 erhielt die Beklagte erstmals Kenntnis vom Tod des Versicherten, woraufhin sie die Rentenzahlungen sofort einstellte. Zwischen dem Tod des Versicherten und der Einstellung der Rentenzahlungen waren mittlerweile einschließlich der Sonderzuwendungen 838.783,57 DM gezahlt worden bzw. auf das angegebene Konto bei der Postbank L - Konto-Nr.: 000, BLZ 370 100 50 - geflossen. Mit Schreiben vom 15.09.1997 richtete die Beklagte zunächst ein Rückforderungsbegehren nach § 118 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) an die Postbank Köln (Bl. 116 VA). Diese teilte mit Schreiben vom 23.09.1997 mit, dem Rückforderungsbegehren könne nicht entsprochen werden, da das genannte Girokonto nicht genügend Guthaben aufweise. Es befinde sich vielmehr mit 94,19 DM im Soll. Die Beklagte möge sich mit den Verfügungsberechtigten, der Klägerin und deren Ehemann I D (dem am 02.01.1998 verstorbenen Sohn des Versicherten), in Verbindung setzten. Im Laufe des Verfahrens teilte die Postbank L später durch Schreiben vom 18.02.2002 mit, der Kontostand zum Zeitpunkt der ersten zu Unrecht erbrachten Rentenzahlung könne wegen Ablaufs der Lager- und Aufbewahrungsfristen nicht mehr mitgeteilt werden. Es könnten nur noch die Kontoauszüge ab September 1994 übersandt werden.

Mit Schreiben vom 30.10.1997, jeweils geri...

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