Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Berechnung. Bemessungsgrundlage. Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Aufbauphase. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Zur Berechnung des Elterngeldes gemäß § 2 Abs 9 S 1 BEEG einer selbständigen Rechtsanwältin, deren Einkommen aufgrund der Aufbauphase der selbständigen Tätigkeit im steuerrechtlichen Veranlagungszeitraum sehr viel niedriger war als in den zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes.

2. Die Regelung des § 2 Abs 9 S 1 BEEG zur Ermittlung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit vor der Geburt des Kindes verstößt nach Ansicht des erkennenden Sentas nicht gegen Art 3 Abs 1 GG, weil die darin liegende Ungleichbehandlung von selbständig Tätigen und abhängig Beschäftigten durch hinreichend gewichtige Gründe der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.02.2011; Aktenzeichen B 10 EG 2/10 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid vom 15.04.2009 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Bemessungsgrundlage für das Elterngeld bei Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit.

Die Klägerin ist Mutter des am 00.00.2007 geborenen Kindes N. Im Februar 2008 beantragte sie Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihres Sohnes. Sie habe von Beginn des Kalenderjahres vor der Geburt bis zu dessen Geburt Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielt. Die Klägerin legte eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG eines Steuerberaters für die Zeit vom 01.12.2006 bis 30.11.2007 vor. Sie wies für diesen Zeitraum einen Gewinn von 17.527,40 EUR aus.

Die Beklagte bat die Klägerin um Übersendung ihres Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2006. Der Berechnung des Elterngeldes sei das Einkommen der Klägerin im Kalenderjahr vor der Geburt ihres Sohnes zugrundezulegen. Die Klägerin erwiderte, sie habe ihre Tätigkeit als selbstständige Rechtsanwältin im November 2005 aufgenommen. In der ersten Zeit habe sie ihren Mandantenstamm erst aufbauen müssen und viel Zeit mit Werbemaßnahmen, dem Aufbau der Büroorganisation sowie mit Fortbildung verbracht. Ihre festen Kosten beliefen sich derzeit auf 1000 EUR monatlich. Nur mit der Unterstützung durch das Elterngeld könne sie ihre Existenz als Selbständige auf Dauer aufrecht erhalten und nach der Erziehungszeit vollständig in ihren Beruf zurückkehren. Eine Bemessung auf der Grundlage des Einkommens im Jahr 2006 sei eine.unangemessene Benachteiligung und Ungleichbehandlung gegenüber Arbeitnehmern.

Mit Bescheid vom 21.04.2008 bewilligte die Beklagte Elterngeld in Höhe des Mindestbetrags von 300,00 EUR für den 1. bis 12. Lebensmonat vorläufig gemäß 8 Abs. 3 BEEG. Im Juni 2008 übersandte die Klägerin ihren Steuerbescheid für 2006, der für sie Negativeinkünfte aus selbstständiger Arbeit auswies. Mit Bescheid vom 01.07.2008 stellte die Beklagte das Elterngeld der Klägerin für die ersten zwölf Lebensmonate endgültig in Höhe des Mindestbetrags von 300,00 EUR fest.

Den von der Klägerin mit Verweis auf die besondere Situation zu Beginn ihrer Selbstständigkeit rechtzeitig eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung Münster mit Bescheid vom 27.10.2008 zurück. Die von der Klägerin begehrte Berücksichtigung des Einkommens aus den letzten zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes sei bei Anwendung des § 2 Abs. 9 BEEG nicht zulässig. Eine Wahlmöglichkeit bestehe insoweit nicht. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor. Das Abstellen auf den letzten Veranlagungszeitraum sei aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt.

Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft. 2005, im Gründungsjahr der Anwaltskanzlei, habe sie ihre Tätigkeit nur zwei Monate ausgeübt. Die Betriebsausgaben hätten die Betriebseinnahmen überstiegen, das stelle auch eine übliche Entwicklung der Einkommensverhältnisse unmittelbar nach Beginn einer selbständigen Tätigkeit dar. Diese Entwicklung habe sich im Jahr 2006 fortgesetzt. Ein positiver Überschuss sei erst in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres 2006 entstanden. Lege man daher ihr Einkommen aus den letzten 12 Monaten vor der Geburt zu Grunde, ergebe sich ein wesentlich höherer Elterngeldanspruch. Es verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass sich eine solche Einkommenssteigerung bei nichtselbstständigen Elternteilen unmittelbar auf das Elterngeld auswirkt, bei ihr jedoch nicht. Diese Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt.

Mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 15. 04. 2009 hat das Sozialgericht Köln die auf Zahlung höheren Elterngeldes unter Berücksichtigung des Einkommens in den letzten 12 Monaten vor der Geburt gerichtete Klage abgewiesen.

Die Beklagte habe der Elterngeldberechnung zutreffend die Einkünfte der Klägerin im letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum, im Jahr 2006, zu Grunde gelegt nach § 2 Abs. 9 BEEG. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Kläge...

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