Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Berechnung des Krankengeldes. Berücksichtigung der Aufstockungszahlung einer sog Auffanggesellschaft nach einer Insolvenz bei der Regelentgeltbestimmung

 

Orientierungssatz

Bei einer in einem Aufhebungs- und Anstellungsvertrag mit einer sog Auffanggesellschaft nach einer Insolvenz vereinbarten Aufstockungszahlung ("Aufzahlung") auf 80 vH des pauschalierten Nettoentgelts handelt es sich um Arbeitsentgelt iS von § 47 SGB 5 iVm § 14 Abs 1 S 1 SGB 4.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.05.2012; Aktenzeichen B 1 KR 26/11 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 14.04.2011 geändert und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 08.03.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2010 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 18.01.2010 bis zum 05.06.2011 Krankengeld unter Zugrundelegung eines weiteren monatlichen Regelentgelts in Höhe von 263,33 Euro nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Krankengeldes.

Der 1963 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Kläger war bis zum 08.05.2009 als Industrieanlagenelektroniker bei der U. GmbH beschäftigt. Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens kam es zu einem erheblichen Personalabbau, von dem auch der Kläger betroffen war. Im Rahmen eines Gesamtplans endete das Beschäftigungsverhältnis des Klägers durch einen Aufhebungsvertrag zum 08.05.2009. Zugleich vereinbarte der Kläger mit der M. GmbH, einer sog. Auffanggesellschaft, ein für die Zeit vom 09.05.2009 bis 30.04.2010 befristetes Arbeitsverhältnis, um sich zu qualifizieren und weiterzubilden, wobei die Vertragsparteien davon ausgingen, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Transferkurzarbeitergeld gegeben waren. Als Vergütung wurde die Zahlung von Transferkurzarbeitergeld nach Maßgabe des § 216b Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) auf der Basis eines bisherigen tariflichen Bruttoentgelts i.H.v. 4.225,14 Euro zuzüglich dauerhaft gezahlter vermögenswirksamer Leistungen i.H.v. 26,59 Euro und somit insgesamt i.H.v. 4.251,73 Euro vereinbart. Der Kläger sollte zudem eine Aufstockungszahlung ("Aufzahlung") auf 80 % des pauschalierten Nettoentgelts erhalten, sofern Transferkurzarbeitergeld gezahlt werde ( § 2 des Aufhebungs- und Anstellungsvertrages vom 27.04.2009). Ab dem 09.05.2009 erhielt der Kläger Transferkurzarbeitergeld.

Wegen seit dem 07.12.2009 bestehender Arbeitsunfähigkeit erhielt der Kläger in der Zeit vom 18.01.2010 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 05.06.2011 Krankengeld. Ausweislich der Entgeltbescheinigung der M. GmbH belief sich das im November 2009 gezahlte Transferkurzarbeitergeld auf 1.662,74 Euro und das Istentgelt brutto auf 327,85 Euro (Istentgelt netto 261,54 Euro). Das Sollentgelt brutto betrug 4.251,73 Euro und das Sollentgelt netto (fiktiv) 2.818,32 Euro. Die neben dem Transferkurzarbeitergeld geleistete Aufstockungszahlung auf 80 % des pauschalierten Nettoentgelts entsprechend § 2 Nr. 1b des Aufhebungs- und Anstellungsvertrages vom 27.04.2009 belief sich - ausweislich der Lohn- und Gehaltsabrechnung für den Monat November 2009 - auf 263,33 Euro.

Mit Bescheid vom 08.03.2010 gewährte die Beklagte dem Kläger Krankengeld i.H.v. täglich 7,85 Euro brutto bzw. 6,88 Euro netto (90 v.H. des im November 2009 erzielten Nettoistentgelts von 261,54 Euro) und mit weiterem Bescheid vom 08.03.2010 bewilligte sie Krankengeld i.H.eines täglichen Zahlbetrages von 49,88 Euro brutto (= netto) entsprechend 90 v.H. des im November 2009 gezahlten Transferkurzarbeitergeldes.

Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und machte geltend, der vom Arbeitgeber gezahlte Aufstockungsbetrag zum Kurzarbeitergeld müsse ebenfalls bei der Krankengeldzahlung berücksichtigt werden. Da das Krankengeld eine Lohnersatzleistung sei, müsse jede gezahlte Leistung, mithin auch der Aufstockungsbetrag, berücksichtigt werden.

Durch Widerspruchsbescheid vom 04.06.2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der durch den Arbeitgeber gezahlte Aufstockungsbetrag sei nicht beitragspflichtig und deshalb bei der Berechnung des Krankengeldes nicht zu berücksichtigen. Außerdem folge aus § 179 Abs. 2 Satz 2 SGB III, dass Arbeitsentgelt, welches unter Anrechnung des Kurzarbeitergeldes gezahlt werde, außer Betracht bleibe.

Am 15.06.2010 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Aachen erhoben und die Auffassung vertreten, im Hinblick auf die Lohnersatzfunktion des Krankengeldes müsse der Aufstockungsbetrag bei der Berechnung des Krankengeldes berücksichtigt werden. Der Aufstockungsbetrag zum Transferkurzarbeitergeld sei als Arbeitsentgelt i.S.d. § 14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zu werten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 08.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2010 zu verurteilen, ihm höheres Kr...

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