Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Mehrbedarf für gehbehinderten Sozialgeldempfänger. keine Nichterwerbsfähigkeit vor Vollendung des 15. Lebensjahres. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Einem vierjährigen Kind kann der Mehrbedarf nach § 28 Abs 1 S 3 Nr 4 SGB 2 - trotz Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen G - nicht zuerkannt werden, da ein Kind vor Vollendung des 15. Lebensjahres unabhängig von der Behinderung nicht erwerbstätig und somit keine nichterwerbsfähige Person iS der Vorschrift sein kann.

2. Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der Änderung des § 28 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB 2 durch Gesetz vom 20.7.2006.

3. Eine gegenteilige Auffassung würde Art 3 Abs 1 GG verletzen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.05.2010; Aktenzeichen B 14 AS 3/09 R)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 19.02.2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 29.03.2007 bis zum 30.11.2007 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für den Kläger zu 4) gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II.

Die Kläger zu 1) und 2) sind die Eltern des am 00.08.1998 geborenen Klägers zu 3) und des am 00.05.2003 geborenen Klägers zu 4). Alle Kläger bezogen im streitgegenständlichen Zeitraum von der Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Der Kläger zu 4) leidet an einer allgemeinen Entwicklungsstörung mit motorischer Unruhe, Aufmerksamkeitsdefizit, Verdauungsstörungen, Zöliakie, Wachstumsstörung und infektabhängigem Asthma bronchiale. Er ist mit Wirkung ab dem 29.03.2007 als Schwerbehinderter mit einem GdB von 70 und den Merkzeichen "G" und "B" anerkannt. Der Kläger zu 1) ging im streitgegenständlichen Zeitraum einer Erwerbstätigkeit nach, aus der er monatlich wechselndes Nettoarbeitseinkommen bei einem gleichbleibenden Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1340,00 EUR erzielte.

Mit Bescheid vom 30.10.2006 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit von Dezember 2006 bis zum 31.05.2007. In der Folgezeit bis zum 13.04.2007 erließ sie insgesamt fünf Änderungsbescheide, in denen sie nach Vorlage von Lohnabrechnungen eine Neuberechnung unter Berücksichtigung des wechselnden Einkommens vornahm. Mit Bescheid vom 07.05.2007 erließ sie einen weiteren Änderungsbescheid, in dem sie eine Neuberechnung für sämtliche Monate von Dezember 2006 bis Mai 2007 vornahm. Dabei ging sie von einem monatlichen Bedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1673,66 EUR aus. Dieser setzte sich zusammen aus der Regelleistung gemäß § 20 Abs. 3 SGB II von jeweils 311,00 EUR für die Kläger zu 1) und 2) und der Regelleistung gemäß 28 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in Höhe von jeweils 207,00 EUR für die Kläger zu 3) und 4). Außerdem berücksichtigte sie beim Kläger zu 4) einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von monatlich 66,47 EUR. Hinzu kamen die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 SGB II in Höhe von monatlich 571,19 EUR. Als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigte sie neben dem Kindergeld für die Kläger zu 3) und 4) in Höhe von insgesamt 308,00 EUR das vom Kläger zu 1) erzielte Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 1115,00 EUR (März), 1075,27 EUR (April) und 1200,00 EUR (Mai) jeweils abzüglich eines Freibetrages in Höhe von 294,00 EUR. Außerdem rechnete die Beklagte in den Monaten März und April 2007 127,86 EUR (März) bzw. 127,88 EUR (April) aus einer im Dezember 2006 erfolgten Überzahlung als Einkommen an. Mit Bescheid vom 18.06.2007 nahm die Beklagte dann noch eine weitere Neuberechnung für den Monat Mai 2007 vor, bei der sie nunmehr ein Nettoarbeitsentgelt von 1207,76 EUR zu Grunde legte.

Mit Bescheid vom 17.04.2007 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen für die Zeit vom 01.06.2007 bis 30.11.2007. Sie nahm dabei den monatlichen Gesamtbedarf für die Zeit bis zum 30.06.2007 mit 1673,66 EUR und für die Zeit vom 01.07.2007 bis zum 30.11.2007 mit monatlich 1680,12 EUR an. Der um 6,46 EUR erhöhte Bedarf ergab sich aus der ab dem 01.07.2007 um jeweils 1,00 EUR erhöhten Regelleistung sowie dem um 2,46 EUR höheren Bedarf für Unterkunft und Heizung. Sie ging von einem erzielten Nettoarbeitseinkommen des Klägers zu 1) in Höhe von 1200,00 EUR abzüglich eines Freibetrages in Höhe von 294,00 EUR aus. In der Folgezeit erließ die Beklagte für diesen Zeitraum bis zum 06.12.2007 insgesamt acht Änderungsbescheide, in denen sie eine Neuberechnung unter Berücksichtigung des vom Kläger zu 1) monatlich in wechselnder Höhe erzielten Einkommens vornahm (Juni: 1141,59 EUR, Juli: 1054,82 EUR, August: 1078,72 EUR, September: 1183,22 EUR, Oktober: 923,63 EUR, November: 1148,55 EUR).

Mit Bescheid vom 11.05.2007 stellte das Versorgungsamt H beim Kläger zu 4) einen Grad der Behinderung von 70 sowie die Erfüllung der gesundheitlichen Voraussetz...

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