Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. stationäre Einrichtung. kein Anspruch auf Abwesenheitspauschale nach SGB 12. Erledigung des Kostenbeitragsbescheids nach BSHG. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Auslegung von Verwaltungsakten. § 54 Abs 2 SGB 12 als eigenständige Anspruchsgrundlage

 

Orientierungssatz

1. Für die Bewilligung einer sog Abwesenheitspauschale für die vorübergehende Abwesenheit von einer stationären Einrichtung, mit der in Zeiten der Geltung des BSHG und des GSiG überzahlte Kostenbeiträge aus angerechneten Grundsicherungsleistungen erstattet worden sind, besteht nach dem Inkrafttreten des SGB 12 zum 1.1.2005 keine Rechtsgrundlage mehr.

2. Die Regelungswirkung eines Kostenbeitragsbescheides, der die Gewährung von Leistungen nach dem GSiG voraussetzte, hat sich mit dem Auslaufen der Leistungen nach dem GSiG zum 31.12.2004 erledigt.

3. Zur Auslegung eines Kostenbeitragsbescheids nach § 43 Abs 1 BSHG iVm § 28 BSHG hinsichtlich des Inhalts und Umfangs seiner Regelungswirkung nach Inkrafttreten des SGB 12.

4. Die Regelung in § 54 Abs 2 SGB 12 stellt eine eigenständige Anspruchsgrundlage für die Besuchsbeihilfe dar.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.10.2008; Aktenzeichen B 8 SO 33/07 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.09.2006 geändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Zahlung einer sogenannten Abwesenheitspauschale an die in einer stationären Einrichtung untergebrachten Klägerin für die Zeit ihrer Abwesenheit aus der Einrichtung.

Die 1968 geborene Klägerin ist geistig behindert (Down-Syndrom) und lebt seit Mai 2001 im Wohnheim "Haus J" der Lebenshilfe Rhein-Sieg-Kreis in O. Kostenträger ist der Beklagte; er leistet Eingliederungshilfe und erbringt Grundsicherungsleistungen, die er direkt an die Einrichtung auszahlt. Rechtsgrundlage der Grundsicherungsleistungen war vom 01.01.2003 bis 31.12.2004 das Grundsicherungsgesetz (GSiG), für die Eingliederungshilfe das Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Seit dem 01.01.2005 erbringt der Beklagte Leistungen auf der Grundlage des Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch - (SGB XII).

Durch einen Bescheid vom 22.08.2003 wurden die Leistungen der Grundsicherung nach dem GSiG bis 30.06.2004 festgesetzt. In einem Kostenbeitragsbescheid vom gleichen Tag, der auf den genannten Bewilligungsbescheid ausdrücklich Bezug nahm, wurde die Leistung auf Grundsicherung in der gesamten Höhe bis 30.06.2004 als Kostenbeitrag für die Eingliederungsleistungen nach dem BSHG festgesetzt, da es sich bei der Grundsicherungsleistung um nach dem BSHG anrechenbares Einkommen handele. Weiter heißt es im Bescheid: "Für die Zeit einer vorübergehenden Abwesenheit aus der Einrichtung (z. B. wegen Urlaub bei Angehörigen) wird an Ihre Betreute pro Abwesenheitstag ein Betrag i. H. v. 7,90 Euro bzw. 8,00 Euro ab dem 01.07.2003 ausgezahlt. Die Auszahlung erfolgt durch das Heim, sofern Sie die beiliegende Einwilligungserklärung der Einrichtung vorlegen." Über die Bewilligung von Leistungen nach dem GSiG für die Zeit vom 01.07.2004 bis 31.12.2004 liegt kein Bescheid vor.

Für die Jahre 2003 und 2004 wurden der Klägerin tageweise für die Abwesenheitstage die im Kostenbeitragsbescheid vom 22.08.2003 genannten Beträge durch den Beklagten gezahlt.

Im Rahmen eines Widerspruchsverfahren, das die zu berücksichtigende Anzahl der Abwesenheitstage betraf, wies die Beklagte mit Schreiben vom 20.12.2004 darauf hin, dass ab 01.01.2005 das SGB XII gelte und es sich bei der Grundsicherung nunmehr um eine Sozialhilfeleistung handele, für die kein Kostenbeitrag mehr aus der Grundsicherung gefordert werden könne. Es erfolge "auch weiterhin" keine gesonderte Auszahlung der Grundsicherung, da diese in der Eingliederungshilfe mit enthalten sei. Für die Zeiten der vorübergehenden Abwesenheit aus der Einrichtung werde es ab 01.01.2005 eine Besuchsbeihilfe gem. § 54 Abs. 2 SGB XII geben. Hinsichtlich der Fahrtkostenerstattung erfolge keine Änderung.

Durch Schreiben vom 02.05.2005 beantragte der Betreuer der Klägerin auch für das erste Quartal 2005 die Leistungen der Abwesenheitspauschale und fügte eine Bescheinigung der Wohnhausleitung des Wohnhauses "J" über die Abwesenheitstage bei. Durch Bescheid vom 12.07.2005 wurde der Antrag abgelehnt. Der Beklagte legte dar, dass gem. § 36 SGB XII die Unterhaltsvermutung gelte, d. h. man gehe davon aus, dass ein Leistungsberechtigter, der in einer Haushaltsgemeinschaft mit anderen Personen lebe, von diesen Leistungen zum Lebensunterhalt erhalte. Hiergegen legte der Betreuer der Klägerin Widerspruch ein. Er führte aus, dass nach der Regelung des § 36 SGB XII die Vermutung nicht für nachfragende Personen gelte, die im Sinne des § 53 SGB XII behindert oder pflegebedürftig sind und von im Satz 1 genannten Personen betreut werden.

Im August 2005 reichte die Klägerin auch eine Bescheinigung über die Abwesenh...

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