Entscheidungsstichwort (Thema)

Bedarfsgemeinschaft mit Bezieher einer Altersrente. Bedarfsermittlung. Einkommensanrechnung. Verfassungskomforme Auslegung. Heizkosten bei unangemessen großer Wohnung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 7 Abs. 4 SGB II wegen Bezugs von Altersrente vom Leistungssystem des SGB II vollständig ausgeschlossene Personen können nicht über eine mögliche Bewilligung von Sozialgeld nach § 28 Abs. 1 S. 1 SGB II als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft in die Gesamtbedarfsbetrachtung nach § 9 Abs. 2 S. 3 SGB II einbezogen werden.

2. Zur Vermeidung einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung ist im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 9 Abs. 2 SGB II davon auszugehen, dass das Einkommen des nicht erwerbsfähigen Partners des Hilfebedürftigen einerseits in der Ermittlung des Gesamtbedarfs zu berücksichtigen ist und ihm andererseits im Hinblick auf die jeweilige individuelle Anspruchsberechtigung und Bedarfsermittlung ein ihm zustehender Bedarf auch als nicht Leistungsberechtigter im System des SGB II zustehen muss. Die Bedarfsermittlung erfolgt für den Partner nach §§ 41 ff. SGB XII und die Einkommensanrechnung entsprechend § 9 Abs. 2 S. 3 SGB II.

3. Sind gem. § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II die Aufwendungen der als unangemessen groß angesehenen Unterkunft zu übernehmen, umfasst dies wegen der Einheit von Unterkunft und Heizung ebenfalls die entsprechenden Heizkosten, auch wenn sie in der Vorschrift nicht ausdrücklich aufgeführt sind.

 

Normenkette

SGB II § 7 Abs. 3 Nr. 3b, Abs. 4, § 9 Abs. 2, § 22 Abs. 1 S. 2; SGB XII § 30 Abs. 1 Nr. 1, § 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 3

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20.2.2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 26.1.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.4.2005 verurteilt wird, dem Kläger Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II im Januar 2005 in Höhe von EUR 56,94 und von Februar bis Juni 2005 in Höhe von EUR 119,84 monatlich zu zahlen. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe von Leistungen nach dem Gesetz für Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Der 1946 geborene Kläger bezog bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe. Er beantragte am 21.9.2004 die Zahlung von Leistungen nach dem SGB II mit Wirkung ab 1.1.2005. Dabei gab er an, mit der am 00.00.1939 geborenen Frau X in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben. Sie bezog eine Witwenrente in Höhe von 868,56 EUR sowie eine Altersrente in Höhe von EUR 178,13 monatlich. Außerdem besaß sie einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkmal "G". Zu seinen eigenen Vermögensverhältnissen gab der Kläger an, dass er im Dezember 2004 ein Nebeneinkommen in Höhe von EUR 169,65 erzielt habe, das ihm im Januar 2005 ausgezahlt werde. Die Partner lebten in einer Wohnung mit einer Grundfläche von 74,22 m², für die sie eine Kaltmiete von EUR 281,21 zahlten. Ferner zahlten sie folgende Beträge monatlich: Heizung mit Warmwasserversorgung EUR 95,-, Wasser und Entwässerung EUR 26,50, Müllabfuhr und Schornsteinfeger EUR 16,- sowie Winterdienst EUR 0,80. Sie gaben ferner an, diverse Beiträge zu privaten Versicherungen zu zahlen. Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 26.1.2005 SGB II - Leistungen in Höhe von EUR 21,86 für den Monat Januar 2005 sowie für die Zeit von Februar bis Juni 2005 monatlich EUR 84,76. Er berücksichtigte bei seiner Berechnung für Januar 2005 das vom Kläger erzielte Nebeneinkommen im Dezember 2004 und ging von den vom Kläger angegebenen Zahlen aus. Im Übrigen führte er aus, dass der Kläger im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse seiner Partnerin nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II sei. Da er sich jedoch selbst kranken- und pflegeversichern müsse, seien die Beiträge zur freiwilligen Kranken - und Pflegeversicherung als Einkommensminderung bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigen. Dies führe dazu, dass er auf Grund der Berücksichtigung der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge hilfebedürftig werde. Der Beklagte wies den Kläger in diesem Bescheid ferner darauf hin, dass die Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien, weil nach seinen Richtlinien für einen Zweipersonenhaushalt lediglich eine Wohnfläche von maximal 60 m² als angemessen angesehen werde. Er werde aufgefordert, sich um eine Senkung der Unterkunftskosten zu bemühen. Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid am 1.2.2005 Widerspruch, mit dem er geltend machte, die Berechnung des Beklagten sei insbesondere hinsichtlich der Kosten der Unterkunft, des Erwerbseinkommens und der Freibeträge nicht nachvollziehbar.

Er habe monatliche Ausgaben von EUR 1.460,-. Nachdem der Beklagte auf Grund einer neuen Bedarfsberechnung ermittelt hatte, dass dem Kläger für Januar 2005 der höhere Betrag von EUR 44,95 zu bewilligen sei, änderte er mit dem Widerspruchsbescheid vom 22.4.2005 den angefochtenen Bescheid vom...

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