Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. keine Kostenerstattung für eine ambulante hyperbare Sauerstofftherapie. keine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses. kein Systemversagen. kein Vergleich mit Leistungserbringung im stationären Bereich. grundrechtsorientierte Auslegung nach dem Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005

 

Orientierungssatz

1. Der für einen Kausalzusammenhang zwischen der Leistungsablehnung und der Selbstbeschaffung iS des § 13 Abs 3 SGB 5 erforderliche zeitliche Zusammenhang liegt vor, wenn der Versicherte den Beschaffungsweg insoweit eingehalten hat (vgl BSG vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R = SozR 4-2500 § 13 Nr 12 = BSGE 98, 26). Das ist dann der Fall, wenn er die benötigte Therapie vor ihrer Durchführung beantragt und die Ablehnungsentscheidung der Krankenkasse abgewartet hat.

2. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben.

3. Die ambulante hyperbare Sauerstofftherapie gehört als neue Behandlungsmethode nicht zu den Leistungen, die die Krankenkasse als Dienst- oder Sachleistung zu erbringen hat, da zum Zeitpunkt der Behandlung keine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses vorgelegen hat.

4. Ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus den Grundsätzen des Systemversagens.

5. Dass die hyperbare Sauerstofftherapie bei diabetischem Fußsyndrom unter bestimmten Voraussetzungen in der stationären Versorgung zu den von einer Krankenkasse geschuldeten Leistungen gehören kann, führt allein nicht schon zur Leistungspflicht für eine entsprechende ambulante Therapie.

6. Zur Frage des Vorliegens einer notstandsähnlichen Krankheitssituation unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei einer drohenden Amputation des Fußes als Folge eines Diabetes mellitus (vgl BVerfG vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 = BVerfGE 115, 25).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 07.05.2013; Aktenzeichen B 1 KR 44/12 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 29.09.2009 wird zurückgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Freistellung von Kosten einer ambulanten Behandlung mit hyperbarem Sauerstoff (HBO) vom 25.05.2009 bis 22.06.2009 in Höhe von 3.885,80 EUR und vom 07.07.2009 bis 31.07.2009 in Höhe von 3.108,64 EUR.

Die am 00.00.1960 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin, leidet unter Diabetes mellitus Typ I mit Verschluss aller originären Unterschenkelgefäße im Bereich des oberen Sprunggelenks. Im Februar 2009 bildeten sich trockene Nekrosen an Zehen des linken Fußes (pAVK im Stadium IV links, ischämisches diabetisches Fußsyndrom). Vom 23.03.2009 bis 01.04.2009 wurde die Klägerin in der Klinik für Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums B stationär behandelt. Sie unterzog sich am 27.03.2009 einer diagnostischen Angiographie des linken Beines mit einer Probefreilegung der Arteria dorsalis pedis links. Bei diesem Eingriff zeigten sich massive arteriosklerotische Veränderungen, so dass eine zunächst geplante Bypassimplantation nicht durchgeführt werden konnte. Im weiteren Verlauf entwickelte sich eine Wundheilungsstörung ohne Heilungstendenz, eine antibiotische Behandlung zeigte keine Wirkung.

Mit Schreiben vom 02.05.2009 - bei der Beklagten eingegangen am 06.05.2009 - beantragte die Klägerin über das nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene HBO-Zentrum F B die Kostenübernahme für eine hyperbare Sauerstofftherapie. Das diabetische Fußsyndrom befinde sich im Übergang zum Stadium Wagner III. Trotz dieser schweren Erkrankung sei sie in einem guten Allgemeinzustand, so dass die Behandlung ambulant erfolgen könne. Die HBO-Therapie stelle für sie die letzte Chance dar, eine Abheilung der OP-Wunde zu erreichen und eine Amputation im Unterschenkelbereich zu vermeiden.

Mit Bescheid vom 08.05.2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie berief sich auf den Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 10.04.2000 (BAnz. 2000, S. 4602), mit dem der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) entschieden habe, dass die hyperbare Sauerstofftherapie nicht als ambulante vertragsärztliche Leistung erbracht werden dürfe. Der Beschluss hat folgenden Wortlaut:

"Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bestätigt nach erneuter, umfassender und indikationsbezogener Überprüfung seinen Beschluss vom 22.11.1994, die Behandlungsmethode der Hyperbaren Sauerstofftherapie nicht für die vertragsärztliche Versorgung anzuerkennen."

Aufgrund dieser Entscheidung ist die hyperbare Sauerstofftherapie in der Anlage II ("Methoden, die nicht als vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen") der Richtlinie des ...

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