rechtskräftig

 

Verfahrensgang

SG Aachen (Entscheidung vom 15.12.2000; Aktenzeichen S 6 KR 51/00)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.07.2002; Aktenzeichen B 3 KR 3/02 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 15.12.2000 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 02.03.1999 und 16.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2000 verurteilt, dem Kläger ein Therapie-Dreirad zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Versorgung des Klägers mit einem behinderten gerechten Dreirad (Therapie-Dreirad).

Der 1989 geborene Kläger ist bei der Beklagten familienversichert. Nach ehemaliger Frühgeburt mit Sauerstoffmangel liegt ein multiples Fehlbildungssyndrom vor, u.a. mit einer Fußfehlstellung links nach angeborenem Klumpfuß, einer Teillähmung der unteren Gliedmaße und einer Fehlbildung der linken Hand (Syndaktylie). Wegen einer durch eine Brille weitgehend ausgeglichenen Sehschwäche besucht er eine Sehbehindertenschule. Geistige Einschränkungen bestehen nicht mehr, eine zunächst noch vorliegende geistige Retardierung hat er aufgeholt.

Der Kläger beantragte im Februar 1999 die Prüfung, ob und in welcher Höhe die Beklagte die Kosten eines behindertengerechten Fahrrades übernehme. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 02.03.1999 eine Kostenbeteiligung ab, da ein Behindertenfahrrad nach den Heil- und Hilfsmittelrichtlinien einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens darstelle. Auf den Widerspruch des Klägers wies sie mit Schreiben vom 18.03.1999 darauf hin, ein Spastiker-Dreirad, das als Hilfsmittel in Betracht komme, sei nicht verordnet worden.

Am 04.10.1999 reichte der Kläger bei der Beklagten eine vertragsärztliche Verordnung für ein Dreirad mit Blinkanzeige, Zentralbremse und Gangschaltung sowie das Angebot eines Sanitätshauses für ein behindertengerechtes Dreirad einschließlich Zubehör (Kosten insgesamt 4.029,83 DM) ein. Zur Prüfung des Antrages holte die Beklagte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein. Dr. G ... führte in seinem Gutachten vom 05.11.1999 aus, nach den vorliegenden Gutachten zum Pflegebedarf könne der Kläger mittlere Wegstrecken bis zwei Kilometer unter Verwendung der vorhandenen Beinschienen selbständig bewältigen. Es sei möglich, dass er wegen der Funktionsstörungen der unteren Gliedmaße ein handelsübliches Fahrrad nicht benutzen könne. Das Dreirad sei angesichts der angebotenen Ausrüstung jedoch als Verkehrsmittel und Gebrauchsgegenstand gekennzeichnet, das Radfahren sei kein Grundbedürfnis menschlicher Existenz, für dessen Realisierung die gesetzliche Krankenversicherung zuständig sei. Das Radfahren bedeute auch keine wesentliche therapeutische Ergänzung zu der wöchentlich durchgeführten krankengymnastischen Behandlung.

Mit Bescheid vom 16.11.1998 und Widerspruchsbescheid vom 15.06.2000 lehnte die Beklagte den Antrag ab: Sie wies im Hinblick auf das Gutachten des MDK darauf hin, dass die Mobilität in ausreichendem Umfang gewährleistet sei.

Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, bei dem beantragten Therapie-Dreirad handele es sich um ein Hilfsmittel. Soweit es ein Fahrrad als allgemeinen Gebrauchsgegenstand ersetze, sei er zu einer Eigenbeteiligung bereit. Die Sehschwäche werde durch angepasste Sehhilfen weitestgehend ausgeglichen, so dass er nach Anweisung das Fahrrad selbst führen könne. Das Radfahren stelle zumindest bei einem Kind, das gleichaltrigen Kindern beim Fahrrad fahren zusehen müsse, ein elementares Grundbedürfnis dar. Ferner komme es durch das Radfahren zu einem Muskelaufbau der unteren Gliedmaße.

Das Sozialgericht hat einen Bericht von der behandelnden Kinderärztin E ... eingeholt (Bericht vom 05.10.2000), die u.a. ausgeführt hat, wegen der Fehlbildung der linken Hand könne der Kläger ein zweirädriges Rad nicht führen. Nach seinem sonstigen geistigen und körperlichen Status sei er zur Teilnahme am Straßenverkehr befähigt.

Mit Urteil vom 15.12.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Mobilität des Klägers sei sichergestellt, da die Einschränkung der Gehfähigkeit durch die vorhandenen Hilfsmittel ausgeglichen werde. Die Möglichkeit der schnelleren Fortbewegung mittels eines Fahrrades stelle kein elementares Grundbedürfnis dar.

Der Kläger hält im Berufungsverfahren an seinem Begehren fest.

Der Kläger stellt nach seinem Vorbringen den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 15.12.2000 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 02.03.1999 und 16.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2000 zu verurteilen, ihm ein Therapie-Dreirad zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, das Dreirad sei auch nicht wegen der Notwendigkeit der sozialen Integration in der Entwicklungsphase erforderlich. Da der Kläger unter Verwendung der vorhandenen H...

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