Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung. Erbschaft. Verteilung der einmaligen Einnahme auf angemessenen Zeitraum trotz sofortigem Verbrauch

 

Orientierungssatz

1. Ein Geldzufluss aus einer Erbschaft ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2, das nach Maßgabe des § 2 Abs 3 S 3 AlgIIV auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen ist.

2. Der so errechnete Teilbetrag ist auch dann bis zum Ende des angemessenen Zeitraumes anzurechnen, wenn das Einkommen vorzeitig verbraucht worden ist.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 11.09.2007 wird geändert. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger für die Zeit von Januar 2007 bis Juni 2007 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) zu bewilligen sind.

Der im Jahre 1964 geborene alleinstehende Kläger bezog von der Beklagten zunächst bis einschließlich Dezember 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe des Regelsatzes für einen Haushaltsvorstand. Die Leistungen wurden ihm zuletzt mit Bescheid vom 23.06.2006 für die Zeit vom 01.07.2006 bis 31.12.2006 bewilligt.

Am 01.12.2006 beantragte der Kläger die Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II ab Januar 2007. Zugleich teilte er der Beklagten mit, dass im November 2006 eine bereits länger erwartete Erbschaft ausgezahlt worden sei. Der Kläger legte ein Anwaltsschreiben vom 22.11.2006 vor, nach dessen Inhalt aus dem Nachlass der am 24.05.2004 verstorbenen Frau F N bei einer Erbquote von 7/384 auf ihn ein Betrag von 3.702,13 EUR entfiel, von dem nach allen Kosten und Steuern 2.732,70 EUR zur Auszahlung gebracht worden seien.

Mit Bescheid vom 29.12.2006 lehnte die Beklagte den Fortzahlungsantrag des Klägers für die Zeit ab Januar 2007 ab und führte aus: Der Kläger sei im Hinblick auf die ausgezahlte Erbschaft nicht mehr hilfebedürftig. Der Auszahlungsbetrag sei für den Lebensunterhalt einzusetzen. Bei einem monatlichen Bedarf von 345,- EUR könne er von dem Erbe unter Berücksichtigung der Kosten einer freiwilligen Krankenversicherung sechs Monate seinen Lebensunterhalt bestreiten.

Am 28.12.2006 beantragte der Kläger beim Sozialgericht Aachen die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Az. S 15 AS 257/06 ER) und gab an, den aus der Erbschaft erhaltenen Geldbetrag bereits vollständig verbraucht zu haben. Er habe ein Fahrrad, verschiedene Gebrauchtmöbel und andere Haushaltsgegenstände angeschafft sowie eine Urlaubsreise finanziert. 300,- EUR habe er aus dem Erbe an Herrn N T für die Zeit, die er bei diesem gewohnt habe, gezahlt. 500,- EUR habe er seiner Mutter M U gegeben, vor allem, um das überzogene Konto auszugleichen. Diese Ausgaben habe er getätigt, weil ihm der zuständige Sachbearbeiter erklärt habe, dass es sich bei der Erbschaft um Schonvermögen handele. Der Kläger legte Bescheinigungen und Rechnungen vor, aus denen sich Ausgaben in Höhe von ca. 1.250,- EUR errechneten. Zudem versicherte er an Eides statt, insgesamt 1.520,- EUR für drei gemeinsam mit seinem Bruder durchgeführte Bordellbesuche inklusive 420,- EUR Taxikosten ausgegeben zu haben. Mit Beschluss vom 09.01.2007 verpflichtete das Sozialgericht die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung, dem Kläger ab dem 01.01.2007 bis zur Bestandskraft des Bescheides vom 29.12.2006, längstens jedoch bis zum 30.06.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu zahlen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger noch über Einkommen oder zumutbar verwertbares Vermögen verfüge. Daher komme es nicht darauf an, ob die ausgezahlte Erbschaft zu Beginn des Bewilligungszeitraumes Einkommen oder Vermögen dargestellt habe.

In Ausführung des Beschlusses vom 09.01.2007 gewährte die Beklagte dem Kläger in der Folge Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vorbehaltlich einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung und unter Berücksichtigung der Unterkunftskosten für eine am 01.02.2007 bezogene Wohnung bis einschließlich April 2007.

Auf die Beschwerde der Beklagten hat das Landessozialgericht mit Beschluss vom 03.05.2007 (L 20 B 18/07 AS) den Beschluss des Sozialgerichts vom 09.01.2007 geändert und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es fehle an einem Anordnungsgrund, weil der Kläger durch sein prozessuales Verhalten im Beschwerdeverfahren zu erkennen gegeben habe, dass die Angelegenheit für ihn nicht eilbedürftig sei.

Dem am 02.02.2007 erhobenen Widerspruch des Klägers half die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2007 teilweise ab und wies ihn im Übrigen als unbegründet zurück. Die Erbschaft sei in Höhe eines Betrages von 455,45 EUR monatlich im Zeitraum vom 01.01.2007 bis 30.06.2007 als Einkommen anzurechnen. Damit bestehe im Monat Januar 2007 keine Hilfebedürftigkeit, wohl aber in der Zeit von Februar 2007 bis Juni 2007 im Hinblick auf den hinzug...

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