Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Arbeitslosengeld II. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. Europarechtskonformität. anhängiges Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH. Anspruch auf vorläufige Entscheidung trotz Ablehnungsbescheid. Ermessensreduzierung. Unterkunft und Heizung. Vorliegen eines Anordnungsgrundes auch vor Räumungsklage. verfassungskonforme Auslegung

 

Orientierungssatz

1. Ein angefochtener Ablehnungsbescheid steht der Bewilligung vorläufiger Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gem § 328 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 3 nicht entgegen, wenn beim EuGH noch ein einschlägiges Vorabentscheidungsverfahren anhängig ist.

2. Ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 mit Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, ist auch nach der Entscheidung des EuGH vom 11.11. 2014 - C 333/13 = NJW 2015, 145 weiterhin ungeklärt.

3. Bei dem Arbeitslosengeld II handelt es sich um eine Geldleistung, auf die bei zutreffender Beurteilung des Ermessens nach Maßgabe des § 328 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 3 ein Rechtsanspruch besteht. Der Ermessensspielraum des Grundsicherungsträgers ist angesichts des existenzsichernden Charakters der Leistung auf Null reduziert.

4. Der für die Bewilligung von Leistungen für die Unterkunft durch einstweiligen Rechtsschutz erforderliche Anordnungsgrund ist nicht erst bei Erhebung einer Räumungsklage gegeben. Schon zu einem früheren Zeitpunkt können wesentliche Nachteile zu befürchten sein, die ein Zuwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar erscheinen lassen.

5. Damit ist der erforderliche Anordnungsgrund ua bereits dann gegeben, wenn der Vermieter wegen Zahlungsrückständen die fristlose Kündigung ausgesprochen und hinreichend deutlich gemacht hat, dass er gewillt ist, seine aus dem Zahlungsverzug des Mieters folgenden Rechte konsequent zu verfolgen und das Mietverhältnis zu beenden.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.10.2014 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Gestalt der Regelleistung und der Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 391,00 Euro für die Zeit vom 10.10.2014 bis zum 30.11.2014, in Höhe von monatlich 714,00 Euro für die Zeit vom 01.12.2014 bis zum 31.12.2014 und in Höhe von 722,00 Euro und für die Zeit vom 01.01.2015 bis zum 31.03.2015, längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu zahlen. Dem Antragsteller wird für das Verfahren in beiden Rechtszügen ratenfreie Prozesskostenhilfe ab Antragstellung bewilligt und Rechtsanwalt K, X beigeordnet.

Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Der im Jahr 1988 geborene Antragsteller ist österreichischer Staatsbürger. Er reiste im Oktober 2010 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seitdem bewohnt er eine 27 m² große Wohnung in X, für die er eine Grundmiete i.H.v. 168 EUR zzgl. 90 EUR Betriebskosten, 58 EUR Heizkosten und 7 EUR Warmwasserkosten, also insgesamt 323 EUR, zu zahlen hat. Vom 18.11.2010 bis zum 13.04.2011 übte er eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung als Mediengestalter und vom 10.10.2011 bis zum 07.12.2011 eine solche als Webdesigner aus. Ab August 2012 besuchte der Antragsteller das C Kolleg der Stadt X mit dem Ziel, die Allgemeine Hochschulreife zu erwerben. Nachdem der Antragsteller wegen zu großer krankheitsbedingter Fehlzeiten die Schule verlassen musste, beantragte er am 01.07.2014 Leistungen nach dem SGB II. Nach Vorlage von Kontoauszügen für die letzten drei Monate vor Antragstellung forderte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 08.07.2014 unter Fristsetzung bis zum 25.07.2014 auf zu erklären, ob es sich bei einem Zahlungseingang von der Mutter des Antragstellers um eine Unterhaltszahlung handele und ob diese auch künftig weiterhin geleistet werde. Nach Vorlage einer Erklärung, dass es sich bei der Zahlung nicht um Unterhalt handele und solche Zahlungen in Zukunft nicht mehr erfolgten, versagte der Antragsgegner mit Bescheid vom 29.07.2014 die Leistungen wegen fehlender Mitwirkung. Dabei verwies er auf ein Schreiben vom 07.07.2014, mit dem er eine aktuelle Meldebescheinigung, einen BAföG-Ablehnungsbescheid und die Kontoauszüge der letzten drei Monate angefordert hatte. Drei Tage später wies er ihn darauf hin, dass die vom Antragsteller vorgelegten Kontoauszüge die abschließende Bearbeitung seines Antrags nicht ermöglichten, da diese nur unvollständig und teilweise geschwärzt vorgelegt worden seien.

Nach Vorlage der angeforderten ungeschwärzten Kontoauszüge lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Leistungen nach dem SGB II mit Bescheid vom 26.08.2014 ab. Zur Begründung f...

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