Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung eines Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit. Unangemessene Kritik am Prozessbevollmächtigten. Beschwerde

 

Orientierungssatz

1. Nach § 118 Abs. 1 SGG i. V. m. § 42 Abs. 2 ZPO kann ein Sachverständiger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Entscheidend ist insoweit, ob der Beteiligte bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Sachverständigen ihm gegenüber zu zweifeln.

2. Die Besorgnis der Befangenheit kann sich dabei auch aus unangemessener Kritik an der Person des Prozessbevollmächtigten des Klägers ergeben. Das ist dann der Fall, wenn der Sachverständige auf Kritik in Wortwahl und Ausmaß der persönlichen Abwertung des Prozessbevollmächtigten die Grenzen einer adäquaten und nachvollziehbaren Reaktion überschreitet.

3. Unerheblich ist, ob das Sozialgericht bei anderen Begutachtungen positive Erfahrungen mit dem Sachverständigen gemacht hat. Für die Ablehnung kommt es nicht auf die Sichtweise des Gerichts, sondern die vernünftige Würdigung durch den ablehnenden Beteiligten an.

 

Normenkette

ZPO § 42 Abs. 2, § 406 Abs. 1, § 2 S. 2; SGG § 118 Abs. 1 S. 1, § 172 Abs. 2

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 11.10.2013 geändert. Das Gesuch des Klägers auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. H wegen Besorgnis der Befangenheit ist begründet.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrt in der Hauptsache Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung trägt er vor allem vor, er leide unter einer massiven Schädigung der Hals- und Lendenwirbelsäule, welche mit einer ausgeprägten Schmerzsymptomatik und Bewegungseinschränkungen einhergehe und irreversibel sei.

Das Sozialgericht (SG) hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt, die zum Teil auch ihnen vorliegende Arztberichte übersandt haben. Diese enthalten u.a. den Bericht über ein MRT der Lendenwirbelsäule vom 22.4.2010 mit der Beurteilung des Vorliegens von Narbengewebe und eines kleinen medialen Bandscheibenvorfalls im Segment L5/S1 sowie den Bericht über ein MRT der Halswirbelsäule vom 20.1.2011 mit der Beurteilung degenerativer Veränderungen der Segmente C4 bis C 7. Der behandelnde Chirurg T hat in seinem Befundbericht vom 27.2.2013 ein deutliches degeneratives Wirbelsäulensyndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation vom 22.4.2009 beschrieben.

Das SG hat daraufhin Beweis erhoben durch Sachverständigengutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. Dr. C unter Berücksichtigung eines Zusatzgutachtens des Orthopäden Dr. H. Dr. H hat in seinem Gutachten die Arztberichte betreffend die MRT-Untersuchungen wiedergegeben. Er hat die Hals- und die Lendenwirbelsäule geröntgt und dabei einen "altersgemäßen Normbefund" erhoben. Als Diagnosen hat er sodann u.a. gestellt: Cervialgie bei freier Funktion, nativradiologisch ohne wesentlichen pathologischen Befund, MRT-Befund siehe oben; Dorsolumbalgie mit pseudoradikulärer Ausstrahlung, bei leicht reduzierter Funktion, nativradiologisch ohne wesentlichen pathologischen Befund, MRT-Befund siehe oben. Der Kläger könne noch leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten verrichten.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit Schriftsatz vom 27.8.2013 vorgetragen, nach Schilderung des Klägers habe die persönliche Exploration durch den Sachverständigen Dr. H lediglich eine gute Viertelstunde gedauert. Es sei dem Kläger so vorgekommen, dass der Gutachter unvorbereitet gewesen sei. Die anschließende Untersuchung habe nur wenige Minuten gedauert. Der Sachverständige habe den ihm vom Kläger vorgelegten zeitlich letzten MRT-Befund nebst Bildern mit dem Kommentar zurückgewiesen, dass diese ohnehin zu alt seien und er sie deswegen erst gar nicht ansehen werde. Umso mehr verwundere es, dass der Gutachter sodann lediglich eine Röntgenuntersuchung veranlasst habe, auf welcher das Gutachten nunmehr basiere. Bei den geklagten Beschwerden des Klägers sei eine MRT-Untersuchung der Hals- und der Lendenwirbelsäule unerlässlich gewesen. Folglich verwundere es auch nicht, dass der Gutachter insoweit zu einem "altersgemäßen Normbefund" gekommen sei. Der Klägerbevollmächtigte hat u.a. folgende Frage an Dr. H formuliert:

"2. Wäre ggf. eine neurologische Zusatzuntersuchung notwendig gewesen? Ggf. durch Hinzuziehung eines neurologischen Ergänzungsgutachters?

...

4. Bzgl. der HWS wurde ein "altersgemäßer Normbefund festgestellt. Wie ist dies in Einklang zu bringen mit den aktenkundigen Vorbefunden? Hinsichtlich der HWS weisen wir ausdrücklich auf den MRT-Befund des Strahleninstituts Köln vom 21.1.2011 hin, mit welchem dem Kläger deutliche degenerative Defekte in den Bereichen C4/5, C5/6 und C6/7 attestiert werden. Dieser Befund war bei Gutachtenerstellung über 2 Jahre alt; hätte hier nicht eine neue MRT-Untersuchung erfolgen müssen, zumal der Kläger über persistierende Beschwerden klagt?

5. Bezgl. der...

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