Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung eines Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit

 

Orientierungssatz

1. Der Beschluss des Sozialgerichts über die Ablehnung eines Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit ist nach § 172 Abs. 1 SGG mit der Beschwerde anfechtbar.

2. Der Gesetzgeber hat sich im SGGArbGGÄndG durch die Anpassung an § 146 VwGO dafür entschieden, in § 172 Abs. 2 SGG Sachverständige nicht einzubeziehen. Damit fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, mit der Folge, dass § 172 Abs. 2 SGG für Beschlüsse über die Ablehnung von Sachverständigen auch keine analoge Anwendung findet.

3. Ein Sachverständiger kann nach § 60 Abs. 1 SGG i. V. m. § 42 Abs. 2 ZPO wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen.

4. Ist eine gegenüber einem Prozessbeteiligten unsachliche Einstellung weder dem Gutachten noch den nachfolgenden Stellungnahmen des Sachverständigen zu entnehmen, so kann dieser nicht mit Erfolg wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 05.01.2012 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Erstattung der Kosten für eine stationäre medizinische Rehabilitation (Klimaheilbehandlung am Toten Meer aufgrund schwerer generalisierender Schuppenflechte (Psoriasis Vulgaris) mit Begleitarthritis) vom 13.09. bis 04.10.2009 in Jordanien.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht Köln mit Beweisanordnung vom 02.11.2011 den Hautarzt und Allergologen Dr. G zum Sachverständigen bestellt und ihn mit der Erstellung eines medizinischen Gutachtens beauftragt. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers gelangte der Sachverständige unter dem 24.11.2011 zu dem Ergebnis, dass die Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme nicht dringend erforderlich gewesen sei.

Am 29.11.2011 ging ein unter dem 24.11.2011 vom Bevollmächtigten des Klägers verfasster Schriftsatz beim SG ein, mit der die äußeren Umstände der Untersuchung bei Dr. G (im Keller dessen Privathauses auf einem "Frauenarztstuhl") bemängelt wurden. Zudem habe der Sachverständige, der nach eigenen Angaben seit Jahren nicht mehr praktiziere, dem Kläger mehrfach mitgeteilt, er sei auf Hämorrhoiden spezialisiert. Er habe ferner dem Kläger auf dessen Nachfrage bestätigt, dass die Beklagte "wohl" nur Sachverständige akzeptiere, die sich gegen die Verordnung von Klimabehandlungen am Toten Meer aussprechen würden. Es bestünden Zweifel gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen. Auf Nachfrage des SG lehnte der Kläger unter dem 22.12.2011 Dr. G wegen Befangenheit ab. Im Übrigen bemängelte er die Bewertung des Sachverständigen als nicht nachvollziehbar. Die Schwere seiner Erkrankung ergebe sich bereits auch aus der vom Sachverständigen erstellten Berufs- und Sozialanamnese, wonach der Kläger schon vor Vollendung des 50. Geburtstages aufgrund der Erkrankung habe berentet werden müssen.

Dr. G führte - dazu vom SG angehört - mit Schreiben vom 31.12.2011 aus, er behandle nach Beendigung der vertragsärztlichen Zulassung nur noch privat versicherte Patienten und Selbstbezahler. Zutreffend sei, dass er im Souterrain seines Hauses ein Arbeitszimmer benutze, in dem sich auch ein Kombistuhl befinde, der auch als gynäkologischer Stuhl benutzt werden könne. Es sei möglich, dass er dem Kläger ggf. als Erklärung der Frage nach dem "Frauenarztstuhl" erklärt habe, dass die Proktologie eines der zahlreichen Teilgebiete der Dermatologie sei und er auch Patienten mit Hämorrhoidalbeschwerden behandle. Die Ausführungen des Klägers bzgl. der Beklagten hinsichtlich der Akzeptanz von Sachverständigen weise er als unzutreffend und abwegig zurück. Er habe auch niemals bestätigt, dass der Kläger habe berentet werden müssen. Speziell zu Beginn der 90ziger Jahre seien Frühberentungen in einem Umfang und mit Begründungen erfolgt, die heute nicht mehr nachvollziehbar seien. Er habe daher in seinem Gutachten lediglich konstatiert, dass der Kläger schon 1992 berentet worden sei.

Das SG wies das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 05.01.2012, dem Kläger zugegangen am 06.01.2012, zurück. Der Kläger habe keinen Grund glaubhaft gemacht, der bei objektiver und vernünftiger Betrachtung ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen rechtfertigen könne.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers vom 06.02.2012. Allein der Sachverhalt, dass der Sachverständige bestätigt habe, die Beklagte akzeptiere nur solche Sachverständigen, die sich gegen eine Heilbehandlung am Toten Meer aussprechen, belege seine Parteilichkeit. Im Übrigen habe Dr. G ausgeführt, ihm sei durchaus bekannt, dass speziell zu Beginn der 90‚er Jahre Frühberentungen in einem Umfang erfolgt seien, die heute nicht mehr nachvollziehbar seien. Damit habe der Sachverständige "eindeutig" sein Vorurteil, dass er - der Kläger - an sich überhaupt nicht hätte berentet werden dürfen und he...

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