Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg. Klage einer Sparkasse gegen einen Sozialhilfeträger auf Zahlung aus abgetretenem Anspruch einer Einrichtung. Zulässigkeit des Sozialrechtswegs. öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Sozialhilfe. Leistungsvereinbarung. abstraktes Schuldverhältnis. Kostenübernahmeerklärung. Rechtsbindungswillen. Schuldbeitritt zu zivilrechtlichen Verpflichtungen der Hilfeempfänger gegenüber der Einrichtung. Entscheidungspflicht des Gerichts über sämtliche Gesichtspunkte der rechtlichen Begründung. Abtrennung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Tritt im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis der Sozialhilfeträger einer Schuld des Hilfeempfängers gegenüber dem Leistungserbringer bei, so behält diese Schuld ihren zivilrechtlichen Charakter. Es handelt sich nicht um eine "Angelegenheit der Sozialhilfe" iS von § 51 Abs 1 Nr 6a SGG; für eine Klage des Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger ist deshalb grundsätzlich nicht der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet.

2. Stützt der Leistungserbringer bei einheitlichem Lebenssachverhalt seine Klage jedoch in nicht offensichtlich unverständiger Weise (zumindest auch) auf ein (öffentlich-rechtliches) abstraktes Schuldanerkenntnis, welches der Sozialhilfeträger ihm gegenüber im Hinblick auf die Leistungserbringung abgegeben habe, so eröffnet dies den Rechtsweg zu den Sozialgerichten. Vieles spricht dafür, dass auch eine Begründung der Klage, die sich auf § 75 Abs 3 SGB 12 stützt, den Sozialrechtsweg eröffnet.

3. Ist der Sozialrechtsweg mit Blick auf das geltend gemachte (öffentlich-rechtliche) abstrakte Schuldanerkenntnis eröffnet, so hat das Sozialgericht nach § 17 Abs 2 GVG den einheitlichen Lebenssachverhalt ggf auch unter dem Gesichtspunkt eines zivilrechtlichen Anspruchs aus Schuldbeitritt zu beurteilen.

 

Orientierungssatz

§ 17 Abs 2 S 1 GVG hindert ein angerufenes Gericht allerdings nicht, im Falle einer Mehrheit prozessual geltend gemachter Ansprüche für einen oder mehrere dieser Ansprüche die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges zu verneinen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 30.09.2014; Aktenzeichen B 8 SF 1/14 R)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 18.02.2013 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 8.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zahlung von 40.000,00 EUR.

Als städtische Sparkasse steht sie in einer Geschäftsverbindung zu der T GmbH. Diese betreibt in X die "W", eine soziotherapeutische Einrichtung für alkoholkranke Menschen (im Folgenden: Einrichtung). Zur Sicherung ihrer Ansprüche ließ sich die Klägerin mit Vereinbarung von 19.07.2007 von der T GmbH alle gegenwärtig und zukünftig zustehenden Forderungen gegen deren Schuldner mit den Anfangsbuchstaben A bis Z abtreten (Globalabtretung).

Die Einrichtung unterhielt bei der Klägerin ein Konto, auf das der Beklagte regelmäßig die Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) für die Bewohner der Einrichtung überwies.

Mit Schreiben vom 17.10.2011 teilte die Einrichtung dem Beklagten mit, aufgrund einer Erkrankung ihres Geschäftsführers sei eine Treuhänderin mit der Fortführung der Geschäfte beauftragt worden. Leistungen seien künftig auf ein Konto der Treuhänderin bei der Stadtsparkasse E zu überweisen. Auch die Treuhänderin selbst bat mit Schreiben vom 28.10.2011 um Überweisung auf dieses Konto.

Ende Oktober 2011 überwies der Beklagte einen Betrag von 86.239,25 EUR auf das alte Konto der Einrichtung bei der Klägerin. Dabei handelte es sich um Leistungen nach dem SGB XII für 34 Bewohner der Einrichtung (durchschnittlich ca. 2.500,00 EUR pro Person) für September 2011. Mit Schreiben vom 28.10.2011 bat der Beklagte um Rücküberweisung, da er befreiende Zahlungen nur mehr auf das Treuhänderkonto leisten könne. Die Klägerin veranlasste daraufhin die Rücküberweisung.

Am 10.11.2011 ging bei der Beklagten die "Anzeige einer Forderungsabtretung" der Klägerin (auf einem auf den 22.06.2007 datierten Formblatt) ein; darin wurde gebeten, Leistungen künftig regelmäßig auf ein (Treuhand-)Konto bei der Klägerin zu überweisen. Unter dem 30.11.2011 teilte der Beklagte der Klägerin mit, die angezeigte Forderungsabtretung könne nicht anerkannt werden; es gehe bei seinen Leistungen um zweckgebundene Ansprüche der jeweiligen Hilfeempfänger, die nach § 17 Abs. 1 SGB XII nicht abgetreten werden könnten.

Die Klägerin forderte den Beklagten unter dem 20.12.2011 anwaltlich erneut auf, die Leistungen in Zukunft auf das bei ihr bestehende (Treuhand-)Konto zu überweisen. Die Abtretung sei wirksam. Denn es handle sich um einen Sekundäranspruch auf Kostenerstattung für bereits erbrachte Leistungen; ein solcher Sekundäranspruch könne durchaus abgetreten werden. Mit Schreiben vom 30.01.2012 lehnte der Beklagte erneut eine Zahlung ab.

Die Klägerin hat am 13.03.2012 Klage vor...

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