Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwertfestsetzung durch das Gericht

 

Orientierungssatz

1. Der Rechtsanwalt kann aus eigenem Recht die Festsetzung des Streitwerts beantragen und nach § 9 Abs. 2 S. 1 BRAGO Rechtsmittel gegen die Festsetzung einlegen.

2. Der Streitwert ist gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Entscheidend ist dessen wirtschaftliche Interesse am Ausgang des Verfahrens.

3. Das Beschwerdegericht ist nicht gehindert, den Streitwert auf einen höheren Betrag festzusetzen als vom Bevollmächtigten beantragt. Das Rechtsmittelgericht kann die Streitwertfestsetzung des Sozialgerichts nach § 25 Abs. 2 S. 2 GKG von Amts wegen ändern. Hieraus folgt, dass die Bezifferung des Streitwerts durch den Bevollmächtigten lediglich als Anregung zu verstehen ist.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Bevollmächtigten der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 11.11.2002 abgeändert.

Der Streitwert für das Verfahren S 19 KA 41/02 ER - wird auf 900.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Antragstellerin ist ein Vertriebsunternehmen, das mit einem von einer anderen Firma produzierten Atemtest zum Nachweis des Helicobacter-pylori-Bakteriums im Markt der gesetzlichen Krankenversicherung tätig werden will. Im Verfahren S 19 KA 41/02 ER (SG Köln) hatte die Antragstellerin beantragt, die Gebührenziffer 7152 des EBM vorläufig außer Kraft zu setzen. Das SG hat den Eilantrag mit Beschluss vom 11.11.2002 abgewiesen. Es hat den Streitwert auf 150.000 Euro festgesetzt. Dabei ist es davon ausgegangen ist, dass die Antragstellerin bei Wegfall der Ziffer 7152 EBM einen Gewinn von vermutlich 5 Euro je abgesetztes Test-Kit erzielen kann und eine Alleinvertriebsvereinbarung für sie nur Sinn macht, wenn sie einen monatlichen Absatz von mindestens 10.000 Einheiten anvisiert. Aus einer Verfahrensdauer von schätzungsweise drei Jahren ergebe sich der festgelegte Streitwert.

Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat aus eigenem Recht den Beschluss des SG mit der Beschwerde angegriffen. Er meint, der Gewinn pro Test-Kit sei mit 10 Euro anzusetzen, zudem sei von einem Umsatz von 15.000 Stück auszugehen. Schließlich müsse wie in Arzneizulassungssachen ein Zeitraum von fünf Jahren zugrunde gelegt werden.

Der Bevollmächtigte der Antragstellerin beantragt,

die Entscheidung des Sozialgerichts Köln abzuändern und den Streitwert auf 750.000 Euro festzusetzen.

Der Senat hat die Antragstellerin angehört. Sie hat sich nicht geäußert.

II.

Die statthafte und auch im übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.

1.

Es handelt sich um eine Beschwerde nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BRAGO. Hiernach kann der Rechtsanwalt aus eigenem Recht die Festsetzung des Werts beantragen und Rechtsmittel gegen die Festsetzung einlegen. Die Streitwertbeschwerde wird von § 144 Abs. 4 SGG nicht erfasst. Für sie gilt ein eigenständiges Rechtsbehelfssystem Während die Kostenentscheidung als Teil der Hauptsacheentscheidung (Urteilsformel - § 136 Abs. 1 Nr. 4 SGG) weder isoliert getroffen werden noch isoliert anfechtbar ist (§ 144 Abs. 4 SGG), kann das Gericht den Streitwert eigenständig durch Beschluss festsetzen (§ 25 GKG). Das Rechtsmittelgericht kann den Beschluss des SG binnen sechs Monaten von Amts wegen ändern (§ 25 Abs. 2 Satz 2 GKG). Daneben findet die Beschwerde statt, wenn der Beschwerdewert 50 Euro übersteigt (§ 25 Abs. 3 Satz 1 GKG).

2.

Die Beschwerde ist begründet.

Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Dabei ist entscheidend das wirtschaftliche Interesse am Ausgang des Verfahrens (vgl. Beschlüsse des Senats vom 21.11.2002 - L 10 B 14/02 KA - und vom 26.03.2003 - L 10 B 2/03 KA ER -).

Im Antragsverfahren hat die Antragstellerin über ihren Bevollmächtigten vortragen lassen, der Preis des Wirkstoffs liege mit ca. 10 Euro noch unterhalb der Sachkostenpauschale der Ziffer 7152 EBM von 25,60 Euro. Die Antragstellerin ist dem nicht entgegengetreten und muß sich dieses Vorbringen zurechnen lassen. Ausgehend hiervon ist anzunehmen, dass die Antragstellerin versuchen würde, den Differenzbetrag von 15,60 Euro zwecks Gewinnmaximierung zu erzielen. Nimmt der Senat zugunsten der Antragstellerin an, dass sie das von ihr vertriebene Produkt aus "optischen Gründen" zunächst unter dem Satz der Sachkostenpauschale anbieten würde, kann immer noch von einem Gewinn in Höhe von ca. 10 Euro je Test-Kit ausgegangen werden.

In § 7 des Entwurfs des Alleinvertriebsvertrags zwischen Antragstellerin und Produkthersteller haben die Vertragspartner bestimmt, dass sich die Preise nach der Abnahmemenge richten. Insoweit haben sie drei Stufen vorgesehen, nämlich 10.000 Test-Kits, 30.000 Test-Kits und 100.000 Test-Kits. Dies belegt, dass die Antragstellerin jedenfalls mindestens 100.000 Test-Test/jährlich vertreiben wollte. Hieraus würde ein deutlich höherer Streitwert folgen, als vom SG angenommen. Im Hinblic...

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