Tenor

Auf die Beschwerde der Sachverständigen wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.02.2022 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Landeskasse.

 

Gründe

Der Senat hat die Eingabe der Sachverständigen vom 13.04.2022, die das SG Düsseldorf dem Landessozialgericht vorgelegt hat, als Beschwerde (§ 172 Abs. 1 SGG) ausgelegt, nachdem die Sachverständige hinreichend deutlich gemacht hat, das sie eine Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses im Rechtsmittelverfahren begehrt.

Die Beschwerde ist begründet. Der Ordnungsgeldbeschluss des SG Düsseldorf vom 17.02.2022 war aufzuheben, weil sich nicht feststellen lässt, dass das SG gegenüber der Sachverständigen die für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes erforderliche Nachfrist (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 411 Abs. 2 Satz 2 ZPO) wirksam gesetzt hat. Ist eine schriftliche Begutachtung angeordnet und versäumt der Sachverständige eine ihm gesetzte Frist, soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden (§ 411 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 ZPO), wenn dieses vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht worden ist. Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden (§ 411 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Das einzelne Ordnungsgeld darf 3.000,00 EUR nicht übersteigen (§ 411 Abs. 2 Satz 4 ZPO).

Das SG hat der Sachverständigen zwar durch Beschluss vom 22.12.2021 eine Nachfrist zur Erstattung des Gutachtens bis zum 04.02.2022 gesetzt. Dieser Beschluss ist der Sachverständigen jedoch nicht persönlich zugestellt worden. Die Voraussetzungen für eine Ersatzzustellung der Nachfristsetzung nach § 178 Abs. 1 ZPO sind ebenfalls nicht erfüllt. Die Regelung lautet: "Wird die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung, in dem Geschäftsraum oder in einer Gemeinschaftseinrichtung, in der sie wohnt, nicht angetroffen, kann das Schriftstück zugestellt werden

1. in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner,

2. in Geschäftsräumen einer dort beschäftigten Person,

3. in Gemeinschaftseinrichtungen dem Leiter der Einrichtung oder einem dazu ermächtigten Vertreter."

Auf der Zustellungsurkunde hat der Zusteller unter dem 07.01.2022 vermerkt, dass er das Schriftstück - sprich: den Beschluss vom 22.12.2021 - zu übergeben versucht habe. "Weil die Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung/in dem Geschäftsraum nicht möglich" gewesen sei, habe er "das Schriftstück in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt". Damit wurde jedoch keine Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO bewirkt, weil die Sachverständige unter der Zustellungsanschrift weder Geschäftsräume unterhält noch im Rahmen eines Geschäftsbetriebes dort Personen beschäftigt. Vielmehr ist sie unter der angegebenen Anschrift selber als angestellte Oberärztin der Klinik des O und Leiterin des Diabeteszentrums tätig.

Ebenso wenig konnte - unabhängig davon, dass der Zusteller eine solche nicht beurkundet hat - eine Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erfolgen. Zwar handelt es sich auch bei einem Krankenhaus um eine Gemeinschaftseinrichtung im Sinne der vorbezeichneten Regelung. Die Zustellung scheitert jedoch bereits daran, dass die Sachverständige nicht im Hospital O wohnt oder dort als Patientin untergebracht, sondern dort als Ärztin beschäftigt ist. Eine erweiternde Auslegung der Zustellungsvorschriften auf andere Sachverhalte kommt aufgrund ihres formalen Charakters im Übrigen nicht in Betracht (vgl BGH, Beschluss v. 14.05.2019 - X ZR 94/18, juris Rn. 10).

Nachdem die Sachverständige, wie sie selber vorgetragen hat, von der Nachfrist tatsächlich Kenntnis genommen hat, wurde der Zustellungsmangel gemäß § 189 ZPO geheilt (vgl. auch BGH, Beschluss v. 11.07.2018 - XII ZB 138/18, juris Rn. 7 a.E.). Allerdings lässt sich nicht widerlegen, dass sie von der bis zum 04.02.2022 gesetzten Nachfrist erst nach deren Ablauf am 22.02.2022 Kenntnis erlangt hat. Damit ging die Nachfrist letztlich ins Leere, so dass keine Grundlage für die Festsetzung des Ordnungsgeldes bestand.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15291987

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