Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Betriebsleiter

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Ist ein Betriebsleiter am Kapital des Unternehmens nicht beteiligt, hat er ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen, bezieht er ein vereinbartes Gehalt, hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und ist er in den Betrieb des Unternehmens eingegliedert, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.

3. Dieser Zuordnung widerspricht nicht eine Darlehensgewährung seitens des Betriebsleiters gegenüber dem Unternehmen und der Bezug einer Tantieme zusätzlich zur fest vereinbarten Vergütung.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 28.6.2018 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen, allerdings mit der Maßgabe, dass außergerichtliche Kosten der Beigeladenen nicht erstattet werden.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 12.849,21 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 9.5.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.8.2017 zu Recht abgelehnt.

Der Senat weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab (§ 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Die Beschwerdebegründung gibt keinen Anlass, die Entscheidung des SG zu ändern:

1. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin spricht gegenwärtig mehr dafür als dagegen, dass der Beigeladene zu 1) in ihren Betrieb im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilnahme am Arbeitsprozess eingegliedert war (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]).

Die von ihr selbst im Verwaltungsverfahren überreichten Organigramme belegen, dass der Beigeladene zu 1) mit seiner Aufgabe als Betriebsleiter eine wesentliche betriebsdienliche Funktion erfüllte, die jedenfalls im Streitzeitraum der Antragstellerin untergeordnet war. Zugunsten einer Eingliederung in deren Betrieb spricht nicht zuletzt, dass die Betriebsleitung im Sinne der Verantwortlichkeit für Leitung und Beaufsichtigung in Unternehmen der vorliegenden Art keine in das Belieben des Betriebsinhabers gestellte Rolle ist, sondern zwingend besetzt werden muss, sofern der Inhaber sie nicht selbst übernimmt (vgl. §§ 2 Abs. 2 Satz 1, 4 Abs. 1 Satz 1 Entsorgungsfachbetriebeverordnung [EfbV]). Dabei sind - wie im vorliegenden Fall geschehen - die Verantwortung sowie die Entscheidungs- und Mitwirkungsbefugnisse des Betriebsleiters schriftlich, elektronisch oder in gleich geeigneter Weise in Form von Funktionsbeschreibungen oder Organisationsplänen darzustellen und den betroffenen Mitarbeitern bekannt zu geben (§ 3 Abs. 2 EfbV). Dem korrespondiert, dass die Arbeitsabläufe für die im Betrieb durchgeführten abfallwirtschaftlichen Tätigkeiten durch Arbeitsanweisungen festzulegen sind (§ 3 Abs. 3 EfbV), was wiederum für eine Weisungsbefugnis des Betriebsleiters gegenüber den angestellten Kräften der Antragstellerin und damit das Vorliegen eines weiteren Eingliederungsmerkmals spricht. Dass bei der Antragstellerin gegen diese gesetzlichen Organisationsvorgaben verstoßen worden wäre, ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Schließlich wurde der Beigeladene zu 1) in seiner Funktion als Betriebsleiter von einem offenbar angestellten Mitarbeiter der Antragstellerin vertreten.

2. Mit Blick darauf sprechen etwaige weit reichende Entscheidungsfreiheiten des Beigeladenen zu 1) hinsichtlich insbesondere der Arbeitszeit nicht gegen die Annahme seiner Weisungsgebundenheit im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV. Wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, kann die Weisungsgebundenheit - vornehmlich bei Diensten höherer Art, wie sie hier zu beurteilen sind - zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein, d.h. vornehmlich in einer Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb des Weisungsgebers zum Ausdruck kommen, von der hier aus den unter 1. dargestellten Gründen auszugehen ist. Unbeschadet dessen hat die Antragstellerin selbst vorgetragen, dass der Beigeladene zu 1) die ihm obliegenden Aufgaben nach Anfall und Erforderlichkeit erledigt habe. Zumal angesichts eines vereinbarten festen monatlichen Honorars und der genannten gesetzlichen Vorgaben bestehen keine Bedenken anzunehmen, das...

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