Rechtskraft: nein, Revision beim BSG, AZ: B 0 U.R 63/01 R

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsvertrag – stationäre Rehabilitation – stationäre geriatrische Rehabilitation – stationäre Rehabilitationseinrichtung – Rehabilitationseinrichtung – Rehabilitationsleistung – Rehabilitationsmaßnahme – Bedarf – Bedarfsprüfung – bedarfsgerecht – Bedarfsgerechtigkeit – Berufsausübungsrecht – Berufsausübungsfreiheit – Berufsausübung – Gemeinwohl – Gemeinwohlaufgabe – verfassungskonforme Auslegung –

 

Leitsatz (amtlich)

1. Beim Abschluss eines Versorgungsvertrages mit einer stationären Rehabilitationseinrichtung nach § 111 Abs. 2 SGB V kommt es auf einen Bedarf im Sinne eines angemessenen Verhältnisses zwischen Bettenangebot und Bettenbedarf nicht an. Eine Bedarfsprüfung in diesem Sinne verstößt gegen Art. 12 Abs. 1 GG und ist verfassungswidrig.

2. Bedarfsgerecht iSd § 111 Abs. 2 Nr. 2 SGB V ist eine Versorgung mit stationären Rehabilitationsleistungen bereits dann, wenn sie gewährleistet, dass der Anspruch der Versicherten nach § 40 Abs. 2 SGB V auf stationäre Rehabilitation ordnungsgemäß erfüllt wird (verfassungskonforme Auslegung).

 

Normenkette

SGB V § 40 Abs. 2; SGB V 107 Abs. 2; SGB V § 111 Abs. 2; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1 S. 1

 

Beteiligte

4. Hannoversche landwirtschaftliche Krankenkasse

1. AOK-Die Gesundheitskasse für Niedersachsen, Landesdirektion

2. BKK-Landesverband Niedersachsen

3. IKK Landesverband Niedersachsen

5. Bundesknappschaft, Verwaltungsstelle Hannover

6. Verband der Angestellten-Krankenkassen eV

7. Arbeiter-Ersatzkassen Verband eV

Land Niedersachsen

Niedersächsische Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales

 

Verfahrensgang

SG Hannover (Entscheidung vom 28.07.1998; Aktenzeichen S 2 KR 205/98)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.07.2002; Aktenzeichen B 3 KR 63/01 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 28. Juli 1998 und der Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1996 werden aufgehoben.

Die Beklagten werden verurteilt, mit der Klägerin einen Versorgungsvertrag gem § 107 Abs. 2 iVm § 111 Abs. 2 SGB V im Umfang von 42 Plätzen zur stationären Rehabilitation geriatrischer Erkrankungen, wie sie im Einzelnen im Konzept der Klägerin von Juni 2001 aufgeführt sind, abzuschließen.

Die Beklagten haben der Klägerin die Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft den Abschluss eines Versorgungsvertrages für eine stationäre Rehabilitationseinrichtung nach § 111 Abs. 2 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V).

Die Klägerin betreibt seit 1. Juli 1996 ein medizinisch-geriatrisches Zentrum in D.. Mit Schreiben vom 19. September 1995 stellte sie einen ersten Antrag auf Abschluss eines Versorgungsvertrages mit den Beklagten nach § 111 SGB V. Mit Schreiben vom 18. März 1996 modifizierte sie diesen Antrag und beantragte nun einen Versorgungsvertrag über 25 vollstationäre Betten und 10 teilstationäre Plätze.

Die Beklagten lehnten den Antrag mit Bescheid vom 18. Oktober 1996 ab, weil das niedersächsische Geriatrie-Konzept dem Landkreis E. keine Priorität einräume. Das niedersächsische Konzept strebe keine geriatrischen Zentren an, die flächendeckend seien; Ziel sei vielmehr eine Geriatriesierung der einzelnen Fachabteilungen in den Krankenhäusern. Durch den Ausbau vorhandener Zentren und die begrenzte Schaffung neuer Zentren in Regionen mit höchster Priorität solle in erster Linie die Aus- und Weiterbildung der Ärzte auf dem Gebiet der Geriatrie sichergestellt werden. In der Region E. nehme die F. in G. diese Funktion wahr. Angesichts der verschärften finanziellen Lage der gesetzlichen Krankenversicherung hätten sie – die Landesorganisationen der gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen – den Entschluß gefaßt, neben den vorhandenen Leistungserbringern mit keinen weiteren Einrichtungen einen Versorgungsvertrag nach § 111 Abs. 2 SGB V abzuschließen. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18. November 1996).

Die Klägerin hat am 29. November 1996 Klage beim Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Mit Urteil vom 28. Juli 1998 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die bestehende und beabsichtigte personelle und sächliche Ausstattung der Klägerin erfülle zwar die Anforderungen, die an eine Vorsorge- bzw. Rehabilitationseinrichtung zu stellen seien. Die Beklagten hätten aber zutreffend entschieden, dass die Einrichtung für eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung der Versicherten nicht erforderlich sei.

Gegen dieses ihr am 11. September 1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. September 1998 Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, sie habe einen Rechtsanspruch auf Abschluß des Versorgungsvertrages nach § 111 SGB V. Denn sie sei in der Lage, stationäre Rehabilitationsleistungen im Sinne von § 107 Abs. 2 SGB V zu erbringen und erfülle auch die sonstigen Voraussetzungen des § 111 Abs. 2 SGB V. Es gebe keine...

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