Rechtskraft: Nein

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Hilfsmittel. Rollstuhl-Bike. Therapie-Dreirad. Erwachsener

 

Leitsatz (amtlich)

Ein erwachsener Versicherter, der mit einem Leichtrollstuhl und einem Elektrorollstuhl versorgt ist, hat keinen Anspruch gegen seine gesetzliche Krankenkasse auf Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike, auch wenn er nur mit dem Rollstuhl-Bike in der Lage ist, seine Wohnung ohne fremde Hilfe zu verlassen.

 

Normenkette

SGB V § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 33 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG Stade (Entscheidung vom 24.09.2001; Aktenzeichen S 1 KR 134/99)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung der Kosten, die er für das Rollstuhl-Bike aufgewandt hat.

Der 1963 geborene Kläger ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Seit einem Hochspannungsunfall im Jahre 1990 leidet er unter einer vollständigen Lähmung beider Beine mit beidseitiger Amputation unterhalb der Knie. Darüber hinaus ist der Gebrauch der Arme erheblich eingeschränkt. Die Beklagte hat ihn mit einem Leichtgewichtrollstuhl sowie einem Elektrorollstuhl ausgestattet. Im Juni 1999 beantragte der Kläger unter Vorlage der Verordnung des C., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 28. April 1999 die Gewährung eines Rollstuhl-Bikes. Der Kläger legte gleichzeitig den Kostenvoranschlag der Firma D. vom 2. Juni 1999 vor, wonach das Rollstuhl-Bike DM 5.610,46 inklusive Mehrwertsteuer koste. Mit Bescheid vom 9. Juni 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1999 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Kläger mit einem Aktivrollstuhl versorgt sei. Die Behinderung sei daher in dem medizinisch notwendigen Maße ausgeglichen. Das beantragte Rollstuhl-Bike sei den Hilfsmitteln zuzurechnen, die die Negativfolgen der Behinderung ausgleichen sollte. Es sei nicht möglich, damit die Behinderung selbst (Geh- und Stehunfähigkeit) in einem größeren Umfang auszugleichen als durch die zur Verfügung stehenden Rollstühle. Es könne lediglich eine schnellere Fortbewegung erreicht werden. Das begehrte Rollstuhl-Bike würde das Maß der notwendigen Versorgung übersteigen. Eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung komme daher nicht in Betracht.

Gegen den dem Kläger am 21. August 1999 zugestellten Widerspruchsbescheid hat dieser Klage erhoben, die am 10. September 1999 beim Sozialgericht (SG) Stade eingegangen ist. Mit der Klage hat der Kläger vorgetragen, dass er nicht vom Aktivrollstuhl auf den Elektrorollstuhl umsteigen könne. Dies sei beim Rollybike anders. Er sei nach einem gewissen Training inzwischen in der Lage, das Rollstuhl-Bike auf seinen Rollstuhl zu montieren. Dies führe zur Erweiterung des Aktionsradius. Aus diesem Grund habe er sich das Rollstuhl-Bike bereits selbst zugelegt. Insoweit mache er jetzt die Kosten für das Rollstuhl-Bike im Erstattungswege geltend.

Mit Urteil vom 24. September 2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Rollstuhl-Bikes habe. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien nicht erfüllt. Die Beklagte habe die Leistung nicht zu Unrecht iSd § 13 Abs. 3 2. Alternative SGB V abgelehnt. Wie sich aus § 13 Abs. 1 SGB V ergebe, trete der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle des Anspruchs auf eine Sach- und Dienstleistung; er bestehe deshalb nur, soweit die selbstbeschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehöre, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen sei. Ein Hilfsmittel sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur dann erforderlich, wenn sein Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt werde. Dazu gehörten zum einen die körperlichen Grundfunktionen wie das Gehen und Stehen und zum anderen das selbständige Wohnen sowie die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, der auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens umfasse (BSG, Urteil vom 16. September 1999, Az.: B 3 KR 8/98 R). Mit dieser Entscheidung habe das BSG ausgeführt, dass im Rahmen der dort aufgeführten Abgrenzungskriterien ein Rollstuhl-Bike für Personen im Erwachsenenalter kein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung sei. Das Grundbedürfnis der „Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums” könne nur im Sinne eines Basisausgleichs der Behinderung selbst und nicht im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den Mobilitätsmöglichkeiten des Gesunden verstanden werden.

Gegen das dem Kläger am 27. September 2001 zugestellte Urteil hat dieser Berufung eingelegt, die am 12. Oktober 2001 beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen eingegangen ist. Der Kläger trägt vor, dass er in seiner Wohnung nicht den vorhandenen schwerfälligen Elektrorol...

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