Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Sonderbedarf. Wohnungserstausstattung. Fernsehgerät. abtrennbarer Streitgegenstand

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Erstausstattung für die Wohnung gehört auch ein gebrauchtes Fernsehgerät.

 

Orientierungssatz

Bei dem Anspruch auf Leistungen für Erstausstattungen gem § 23 Abs 3 S 1 SGB 2 handelt es sich um einen eigenständigen abtrennbaren Streitgegenstand (vgl BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R = BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.02.2011; Aktenzeichen B 14 AS 75/10 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichtes Hildesheim vom 22. Januar 2009 wird geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 08. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. November 2007 verurteilt, dem Kläger Geld - oder Sachleistungen für die Erstausstattung mit einem gebrauchten Fernsehgerät zu gewähren.

Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger und Berufungsbeklagten im Rahmen der Gewährung von Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) auch ein Zuschuss für ein Fernsehgerät zusteht.

Der im Jahre 1970 geborene Berufungsbeklagte zog aus dem Bereich der Agentur für Arbeit D., wo er Leistungen nach dem SGB II bezog, nach E. um. Seit dem 17. Juli 2007 steht er bei dem Berufungskläger im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II. Der Berufungsbeklagte war zunächst obdachlos und zog ab dem 15. August 2007 in eine 17 qm große Einzimmerwohnung in der F. in E.. Er beantragte mit Schreiben vom 06. August 2007 die Gewährung einer Erstausstattung für im Einzelnen aufgeführte Gegenstände, u.a. für ein Fernsehgerät. Zur Begründung bezog er sich auf ein Urteil des Sozialgerichts Braunschweig (S 18 AS 1253/06) vom 14. Juni 2007. Der Berufungskläger bewilligte mit Bescheid vom 08. August 2007 für im Einzelnen aufgeführte Gegenstände einen Betrag von 506,50 Euro und lehnte mit weiterem Bescheid vom 08. August 2007 die Gewährung einer Beihilfe für einen Fernseher, Balkonmöbel sowie die Übernahme der Anlieferungskosten ab. Ein Fernsehgerät stelle kein Haushaltsgerät im Sinne des § 23 Abs. 3 Nr. 1 SGB II dar, sondern sei in der Regelleistung im Rahmen des Betrags “Teilnahme am kulturellen Leben„ enthalten. Folglich sei dieses nicht als Erstausstattung für die Wohnung zu gewähren. Mit weiterem Bescheid vom 03. September 2007 gewährte der Berufungskläger 195,42 Euro als Zuschuss für Gardinen gem. § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Den am 28. August 2007 erhobenen Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2007 zurück. Insgesamt sei ein Betrag von 701,92 Euro für die Erstausstattung der Wohnung gewährt worden. Dies sei ausreichend. Ein Fernsehgerät gehöre nicht zu den notwendigen Haushaltsgeräten. Die Kosten für seine Anschaffung könnten deshalb nicht im Rahmen des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB II übernommen werden. Die unter Geltung des BSHG ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei hier nicht zu übertragen.

Hiergegen hat sich der Berufungsbeklagte mit der am 21. Dezember 2007 erhobenen, auf die Ablehnung des Fernsehgeräts beschränkten, Klage gewandt. Er hat unter Hinweis auf Kommentarliteratur und Rechtsprechung weiterhin die Auffassung vertreten, zur Ausstattung einer Wohnung gehöre auch ein Fernsehgerät. Er sei längere Zeit obdachlos gewesen und müsse nun nach dem Zuzug nach E. eine Wohnung einrichten. Er habe zu keinem Zeitpunkt einen Fernseher besessen und sei auch zur Zeit nicht - auch nicht im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung - im Besitz eines Fernsehers.

Das Sozialgericht (SG) Hildesheim hat mit Urteil vom 22. Januar 2009 den Berufungskläger verpflichtet, dem Berufungsbeklagten Leistungen nach dem SGB II für die Erstausstattung mit einem Fernsehgerät zu gewähren. Es ist der Auffassung, dass ein Fernsehgerät unter § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II und den darin erfassten Bedarf falle. Denn zum an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientierten Wohnen gehöre die Ausstattung der Wohnung mit einem Fernsehgerät. Auch zu der gewöhnlichen Ausstattung einer Wohnung des unteren Ausstattungsniveaus gehöre ein Fernsehgerät. Dies habe bereits das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Lediglich die erstmalige Anschaffung des Fernsehgerätes sei als einmalige Beihilfe möglich. Dadurch sei keine Abkehr von der Pauschalierung der Regelsätze und keine erneute Umstellung auf die Gewährung einmaliger Beihilfen vorgenommen worden.

Das SG hat auf Antrag der Beteiligten die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil die Frage der Erstausstattung mit einem Fernsehgerät obergerichtlich nicht abschließend geklärt und wegen einer Vielzahl weiterer Verfahren klärungsbedürftig sei.

Der Landkreis E. hat am 27. Februar 2009 gegen das ihm am 02. Februar 2009 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Er ver...

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