Entscheidungsstichwort (Thema)

Erziehungsgeld. Ausländer. § 1 Abs 6 BErzGG idF vom 13.12.2006. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Zur Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs 6 BErzGG in der Fassung des Art 3 Nr 1 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss (AuslAnsprG) vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2915).

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 25. November 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Bewilligung von Erziehungsgeld für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis 31. Januar 2004, in der die Klägerin noch nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war.

Die 1981 geborene Klägerin ist thailändische Staatsangehörige und reiste am 19. Dezember 2002 mit einem für 90 Tage gültigen Besuchervisum in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie ist die Mutter der am 3. Oktober 2003 geborenen H.. Sie lebt in I. und ist seit dem 11. Dezember 2003 mit dem Vater von H., einem deutschen Staatsangehörigen, verheiratet.

Am 17. März 2003 stellte die Klägerin einen Antrag auf Erteilung einer Duldung mit der Begründung einer Risikoschwangerschaft. Während des vor dem Verwaltungsgericht (VG) Bremen geführten Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erklärte die Beklagte mit Schriftsatz vom 27. August 2003, es sei nicht beabsichtigt, die Klägerin abzuschieben, außerdem sei beabsichtigt, ihr nach der Geburt des Kindes eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 Ausländergesetz (AuslG) zur Familienzusammenführung mit dem deutschen Kind zu erteilen. Ausweislich ihres Passes beantragte die Klägerin am 18. Oktober 2003 eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis, die ihr am 4. Februar 2004 erteilt wurde. In der Zwischenzeit galt ihr Aufenthalt laut Passeintrag gemäß § 69 Abs 3 AuslG als erlaubt.

Am 22. Dezember 2003 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Erziehungsgeld für H. für die Höchstdauer von 24 Monaten. Sie gab an, nicht erwerbstätig zu sein und ihre Tochter, für die sie das Personensorgerecht habe, zu betreuen und zu erziehen. Der Vater von H. erzielte im Jahr 2003 Bruttoeinkommen aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung von maximal 2.608,57 € monatlich. Mit Bescheid vom 5. Februar 2004 wurde der Klägerin Erziehungsgeld nur für die Zeit ab dem 1. Februar 2004 bis zur Vollendung des 1. Lebensjahres von H. in Höhe von 307,00 € monatlich bewilligt. Als Grund für die Bewilligung ab dem 1. Februar 2004 wurde angegeben, dass die Klägerin erst ab dem 4. Februar 2004 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sei.

Widerspruch und Klage hinsichtlich der Zeit vor dem 1. Februar 2004 blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2004, Gerichtsbescheid des Sozialgerichts - SG - Bremen vom 25. November 2004). Das SG hat die Abweisung der am 16. Juli 2004 erhobenen Klage damit begründet, dass nach § 1 Abs 6 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) für Ausländer der Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis Voraussetzung für den Bezug von Erziehungsgeld ist, soweit sie nicht Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union oder eines der Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes sind. Während der streitigen Zeit sei die Klägerin noch nicht im Besitz eines solchen Aufenthaltstitels gewesen. Es komme nicht darauf an, ob die Klägerin einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gehabt habe. Auch bei einem ausländischen Ehegatten eines deutschen Staatsbürgers stehe der Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis einer erteilten Erlaubnis nicht gleich. In den Genuss einer Rückwirkung nach § 1 Abs 6 Satz 4 BErzGG komme die Klägerin nicht, da ihr weder eine Aufenthaltserlaubnis verlängert noch eine Aufenthaltsberechtigung erteilt worden sei. Auf das sich aus dem Europarecht ergebende Diskriminierungsverbot könne sich die Klägerin nicht berufen, weil es bei ihr an europarechtlichen Bezügen fehle.

Gegen den am 22. Dezember 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 24. Januar 2005 Berufung eingelegt. Es verstoße gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes und das Diskriminierungsverbot, wenn sie trotz deutscher Familienzugehörigkeit schlechter gestellt werde als ein EU-Bürger. Sie beantragt:

1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 25. November 2004 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 5. Februar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2004 zu ändern,

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Erziehungsgeld für ihre Tochter H. auch für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis zum 31. Januar 2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Berufung für unbegründet. Die Klägerin sei in der streitigen Zeit nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels gewesen. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Juli 2004 - 1 BvR 2515/95 - sei nicht einschlägig, weil dieser die hier maß...

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