Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten. unangemessene Unterkunftskosten eines ehemaligen Sozialhilfeempfängers. keine erneute Einräumung der 6-Monats-Frist. Einkommensberücksichtigung. Kindergeld. minderjähriges Kind in Bedarfsgemeinschaft. keine Absetzung eines Pauschbetrages für Privatversicherungsbeiträge. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Sind keine speziellen örtlichen Mietspiegel vorhanden, so ist bei der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 regelmäßig der Tabellenwert der rechten Spalte der aktuellen Wohngeldtabelle zu § 8 WoGG 2 zu Grunde zu legen.

2. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 ist bei einem ehemaligen Sozialhilfeempfänger, für den die Leistungen für die Unterkunft nach § 3 Abs 1 S 2 SHRegelSatzV aF auf das Angemessene beschränkt waren und der keinen Versuch zur Kostensenkung unternommen hat, ab dem 1.1.2005 nicht erneut zu prüfen bzw bei Unzumutbarkeit der Senkung der Unterkunftskosten ist keine erneute Übergangszeit einzuräumen.

3. Von dem Einkommen (hier Kindergeld und Unterhaltsvorschuss) minderjähriger Hilfebedürftiger, die mit volljährigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, kann ohne Geltendmachung von Beiträgen ein Pauschbetrag für Privatversicherungsbeiträge nach § 3 Nr 1 AlgIIV iVm § 11 Abs 2 Nr 3 SGB 2 nicht abgesetzt werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 07.11.2006; Aktenzeichen B 7b AS 18/06 R)

 

Tatbestand

Die Kläger begehren für die Zeit von Januar bis Oktober 2005 höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). In der Bedarfsberechnung sollen höhere Kosten für Unterkunft und Heizung berücksichtigt werden, das bei dem Kläger zu 5) - L., geboren 18. Dezember 1996 - den Bedarf übersteigende Kindergeld solle nicht als Einkommen der Klägerin zu 1) - der Mutter - berücksichtigt werden.

Die Kläger sind eine 5-köpfige Familie, bestehend aus der Mutter und 4 Kindern (geboren 19. Mai 1987, 12. Juli 1988, 18. Juli 1993 und 18. Dezember 1996). Die Klägerin zu 4) erhielt bis zur Vollendung ihres 12. Lebensjahres Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) in Höhe von 164,00 EUR monatlich, der Kläger zu 5) entsprechende Leistungen bis Juni 2005, ab Juli 2005 in Höhe von 170,00 EUR. Außerdem wird Kindergeld für die Kläger zu 2) bis 4) in Höhe von 154,00 EUR, für den Kläger zu 5) in Höhe von 179,00 EUR gezahlt. Die Kläger haben zudem längere Zeit bis zum 31. Dezember 2004 Sozialhilfe Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen. Bei der Anmietung im Oktober 2002 der jetzt noch bewohnten Wohnung wurde die Klägerin zu 1) durch den damaligen Sozialhilfeträger darüber unterrichtet, dass die Miete die sozialhilferechtlich angemessenen Unterkunftskosten übersteige, bei 5 Personen liege die Angemessenheitsgrenze bei 580,00 EUR. Ein höherer Betrag werde nicht übernommen. So geschah es in der Folgezeit; den nicht aus Sozialhilfemitteln gedeckten Anteil der Unterkunftskosten trugen die Kläger selbst. Ab dem 1. Januar 2005 beziehen die Kläger Leistungen nach dem SGB II. Hinsichtlich der Unterkunftskosten wurden dieselben Maßstäbe wie vorher angelegt. Das den Bedarf des Klägers zu 5) übersteigende Kindergeld - ein Betrag von 16,04 EUR wurde als Einkommen der Mutter - der Klägerin zu 1) - bedarfsmindernd berücksichtigt (Bescheid vom 1. Dezember 2004 für die Monate Januar - April 2005, Zahlbetrag 1.137,78 EUR; Bescheid vom 20. April 2005 für die Monate Mai bis Oktober 2005, Zahlbetrag 1.024,03 EUR für Mai 2005 sowie 853,82 EUR für Juni bis Oktober 2005; dazu die Widerspruchsbescheide vom 9. März und 17. August 2005).

Die Kläger haben am 10. März 2005 - S 48 AS 111/05 - und am 23. August 2005 - S 48 AS 715/05 - Klagen beim Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Ihre Einwände gehen im Wesentlichen dahin, dass jedenfalls für eine Zeit von 6 Monaten ab dem 1. Januar 2005 die tatsächlich anfallenden Unterkunftskosten zu übernehmen seien. Dies folge aus der Bestandschutzregelung des § 22 Abs 1 Satz 2 letzter Halbsatz SGB II. Soweit durch das Einkommen des Klägers zu 5) - Unterhaltsvorschussleistungen und Kindergeld - der Bedarf überschritten werde, dürfe das übersteigende Kindergeld nicht als Einkommen der Klägerin zu 1) berücksichtigt werden. Das SG hat die Klagen mit Urteilen vom 28. September 2005 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Kläger höhere Leistungen nicht erhalten könnten. Sie hätten seit dem Jahr 2002 hinreichend Zeit und Gelegenheit gehabt, eine finanziell angemessene Unterkunft anzumieten und dadurch die Mietkosten in den Angemessenheitsbereich zu senken. Die Berücksichtigung des den Bedarf übersteigenden Kindergeldes als Einkommen der Mutter sei gerechtfertigt. Kindergeld sei nur insoweit als Einkommen des minderjährigen Kindes anzusehen, soweit dieses zur Sicherung des Lebensunterhaltes benötigt werde. Werde der Bedarf anderweitig abgedeckt, verbleibe es bei der Regelung im Kindergeldrecht, so dass der üb...

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