Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfzahl. Einkommensberücksichtigung. Kindergeld für volljähriges Kind

 

Orientierungssatz

1. Die in § 6a Abs 4 S 2 BKGG 1996 enthaltene Regelung über die Aufteilung der Kosten für Unterkunft und Heizung kann nicht auf das Leistungsrecht nach SGB 2 übertragen werden.

2. Auch wenn das der Haushaltsgemeinschaft angehörende volljährige Kind aufgrund des Bezuges von Leistungen der Ausbildungsförderung vom Leistungsausschluss des § 7 Abs 5 SGB 2 betroffenen ist und der volle Bedarfssatz nach BAföG den anteiligen Unterkunftsbedarf des Kindes nicht voll deckt, kann bei der Bedarfsberechnung nach SGB 2 von der Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfzahl nicht abgewichen werden.

3. Wenn das volljährige Kind der Haushaltsgemeinschaft angehört und das Kindergeld an die nach § 62 EStG kindergeldberechtigten Eltern und nicht nach § 74 EStG an das volljährige Kind ausgezahlt wird, ist das Kindergeld als Einkommen nach § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 den Eltern zuzurechnen, auch wenn es an das Kind weitergeleitet wird.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.03.2008; Aktenzeichen B 11b AS 13/06 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 19.August 2005 geändert.

Die Klage wird vollständig abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, in welchem Umfang die Unterkunftskosten in der Bedarfsberechnung der Klägerin für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) zu berücksichtigen sind und ob das für die volljährige Tochter der Klägerin gezahlte Kindergeld als Einkommen in die Bedarfsberechnung einzustellen ist.

Die 1952 geborene Klägerin bewohnt zusammen mit ihrer 1983 geborenen Tochter I. eine ca. 55 m² große Mietwohnung. Die Tochter studiert an der Hochschule J. Sie erhält Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in monatlicher Höhe von 377,00 €; darin ist enthalten ein Anteil von 44,00 € für die Unterkunft (Bescheid vom 30. September 2004). Die monatlichen Kosten für die Unterkunft setzen sich folgendermaßen zusammen: Kaltmiete 255,52 €, Nebenkosten 58,35 € und Kosten für Beheizung (monatliche Abschlagszahlung) 41,12 €. Die Klägerin erzielt aus einer Tätigkeit als Putzhilfe ein monatliches Nettoarbeitsentgelt von 165,00 €; außerdem erhält sie für ihre Tochter ein monatliches Kindergeld von 154,00 €. Die Klägerin erhielt bis zum 25. Januar 2002 Arbeitslosengeld, danach bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe.

Die Klägerin beantragte am 19. August 2004 Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 23. November 2004 wurden der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 monatliche Leistungen in Höhe von 260,62 € bewilligt. Das Erwerbseinkommen (165,00 €) wurde mit einem monatlichen Betrag von 101,72 € angerechnet, das Kindergeld in vollem Umfang. Die Kosten der Unterkunft und Heizung wurden zur Hälfte berücksichtigt; die Kosten für die Heizung wurden vorab um den Anteil für die Warmwasserzubereitung gekürzt (Regelsatzanteile von 6,50 € und 5,80 €). Leistungen für die Tochter als Studentin wurden nicht bewilligt. Die Klägerin legte Widerspruch mit der Begründung ein, dass ein höherer Unterkunftsbedarf anzusetzen sei, da ihre Tochter zur Deckung des Unterkunftsbedarfs einen Betrag von lediglich 44,00 € nach dem BAföG erhalte. Das Kindergeld dürfe als ihr Einkommen nicht berücksichtigt werden, da sie es an ihre Tochter weiterreiche. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. März 2005 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die volljährige Tochter I. gehöre nicht zur Bedarfsgemeinschaft der Klägerin. Die Kosten für Unterkunft und Heizung beliefen sich auf 342,68 €. Die Tochter gehöre zur Haushaltsgemeinschaft, so dass die Kosten der Unterkunft auf zwei Personen aufzuteilen seien. Für die Klägerin ergebe sich daher ein berücksichtigungsfähiger Betrag von 171,34 €. Das Erwerbseinkommen sei um den Pauschbetrag von 30,00 € monatlich vermindert worden, ebenso um die Aufwendungen für Werbungskosten, woraus sich ein bereinigtes Nettoeinkommen von 101,72 € errechne. Das Kindergeld für volljährige Kinder - also die Tochter I. - sei der Klägerin als Kindergeldberechtigter zuzuordnen.

Die Klägerin hat am 18. März 2005 Klage beim Sozialgericht (SG) Osnabrück erhoben. Sie hat vorgetragen, dass das Kindergeld ihrer Tochter gezahlt werde und die Kosten der Unterkunft nicht nur zur Hälfte berücksichtigt werden dürften.

Das SG Osnabrück hat der Klage mit Urteil vom 19. August 2005 teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung von Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 298,68 € zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es unbil...

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