Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. für eine GmbH (Familienbetrieb) tätige Person, die weder deren Geschäftsführer noch an der Gesellschaft beteiligt ist. Übertragung der Unternehmensleitung durch Bestimmung gemäß § 48 Abs 2 GmbHG. Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. Abgrenzung

 

Orientierungssatz

Bei Personen, die bei einer GmbH weder Geschäftsführer mit eigenen Geschäftsanteilen noch Gesellschafter sind, kann in Ausnahmefällen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und somit die Sozialversicherungspflicht ausgeschlossen sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen. Dies können etwa das Abbedingen des Selbstkontrahierungsverbotes nach § 181 BGB, die alleinige Branchenkenntnis oder das Bestehen einer Familien-GmbH mit besonderer Bindung an die Gesellschaft sein. Eine rechtliche Abhängigkeit kann durch die tatsächlichen Verhältnisse so überlagert sein, dass eine sozialversicherungsrechtliche Beschäftigung dennoch nicht vorliegt. Entscheidend kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse an.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.08.2012; Aktenzeichen B 12 KR 25/10 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 und der Bescheid der Beklagten vom 23. September 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2006 werden aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 30. April 1996 bis zum 30. November 1999 nicht der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag.

Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtzüge zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger in der Zeit vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 bei der Beigeladenen zu 1) sozialversicherungspflichtig beschäftigt war und der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag.

Der 1961 geborene Kläger arbeitete seit dem 11. Februar 1986 bei der Beigeladenen zu 1), der Firma D., R. GmbH in Groß L. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war der Vater des Klägers. Dieser erkrankte im Jahre 1996 schwer und verstarb 2001. Er vererbte seine Geschäftsanteile seiner Ehefrau Ursula M., der Mutter des Klägers. Diese war wegen mangelnder Fachkenntnisse selbst nicht in der Lage, den Betrieb weiter zu führen.

Der Kläger arbeitete seit dem 11. Februar 1986 zunächst als Schlossergeselle bei der Beigeladenen zu 1). Im Februar 1986 legte er die Meisterprüfung ab und war sodann als Betriebsleiter der Beigeladenen zu 1) tätig (Anstellungsvertrag vom 11. Februar 1986). Am 30. April 1996 stellte der Gesellschafter und Geschäftsführer Klaus S., der Vater des Klägers, folgende Erklärung aus:

"Niederschrift gemäß § 48 Abs 2 GmbHG der D. R. GmbH.

Der an der Gesellschaft allein beteiligte Klaus M. erklärt durch Unterschrift:

Aus gesundheitlichen Gründen werden meine Kinder Michael M. und Marion N. die Leitung des Unternehmens übernehmen. Mein Sohn wird aufgrund seiner beruflichen Fähigkeiten den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens übernehmen, meine Tochter den kaufmännischen Teil, aufgrund ihrer Ausbildung beim Steuerberater. Die entsprechenden Vollmachten werden beiden Kindern umgehend erteilt. Ab sofort nehmen die Kinder am betrieblichen Erfolg mit einer Gewinntantieme teil und sind vom Selbstkontrahierungsverbot befreit. Auf das Weisungsrecht meinerseits verzichte ich. Arbeits- und Urlaubszeit kann nach Lage der Gesellschaft frei bestimmt werden."

Nach dem Tode des Vaters und Inhabers der Beigeladenen zu 1) wurde der Kläger ab dem 1. September 2001 als alleiniger Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) bestellt (Dienstvertrag vom 31. August 2008).

Der Kläger war vom 1. August 1989 bis zum 30. November 1999 Mitglied der Beklagten. Er war seit der Tätigkeitsaufnahme bei der Beigeladenen zu 1) am 11. Februar 1986 zur Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie bis zum 31. Dezember 1995 auch versicherungspflichtig zur Kranken- und Pflegeversicherung gemeldet. Für ihn sind seit dem 11. Februar 1986 Sozialversicherungsbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung entrichtet worden.

Am 2. Juli 2004 stellte der Kläger durch seinen Steuerberater bei der BKK O. - Die öffentliche BKK (jetzt: BKK Der Partner) - deren Mitglied er seit dem 1. Dezember 1999 war, einen Antrag auf sozialversicherungsrechtliche Beurteilung seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) und auf Erstattung überzahlter Beiträge in Höhe von 42.325,14 €. Er führte zur Begründung aus, dass er ab dem 1. September 2001 nicht mehr sozialversicherungspflichtig gewesen sei, da ihm hinsichtlich der Betriebsführung keine Weisungen erteilt werden konnten. Ihm seien alle Vollmachten eingeräumt, den Betrieb fortzuführen, am Unternehmen sei er nach wie vor nicht beteiligt.

Die O. stellte mit Bescheid vo...

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