Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Sozialversicherungspflicht. Psychotherapeutin in einer fremden, zur Leistungserbringung zugelassenen Praxis. Vertrag über freie Mitarbeit. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. unverschuldete Unkenntnis iSv § 24 Abs 2 SGB 4. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 12 KR 11/17 R

 

Orientierungssatz

1. Zur Sozialversicherungspflicht von in einer fremden, zur Leistungserbringung zugelassenen Praxis tätigen Psychotherapeutinnen auf der Basis eines Vertrags über freie Mitarbeit.

2. Zu den Anforderungen an eine "unverschuldete" Unkenntnis des Beitragsschuldners von seiner Zahlungspflicht im Sinne von § 24 Abs 2 SGB 4.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.09.2018; Aktenzeichen B 12 KR 11/17 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 9. Mai 2012 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.

Der Streitwert beträgt 51.895,47 €.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in der Folge einer Betriebsprüfung nach § 28 p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV).

Am 13. Dezember 2007 wurde in dem die Klägerin vertretenden Steuerbüro W... eine Betriebsprüfung durch die Beklagte eingeleitet. Hierbei wurde festgestellt, dass die Klägerin mehrere Personen im Angestelltenverhältnis und freie Mitarbeiter als Therapeuten beschäftigte. Die bisherigen Arbeitsverhältnisse der Beigeladenen zu 1. und 2. seien zum 30. September 2004 beendet worden. Aufgrund des erheblichen Einkommensrückgangs durch die Gesundheitsreform und des Alters der Klägerin von seinerzeit 65 Jahren war beabsichtigt, eine Neugestaltung der Tätigkeit der einzelnen Therapeuten vorzunehmen. Aus diesem Grunde sei den Beigeladenen zu 1. und 2. angeboten worden, dass diese ebenfalls als freie Mitarbeiterinnen Aufträge erhielten. Die Klägerin beabsichtige, die Praxis aus Altersgründen zum 31. März 2008 aufzugeben.

Die Betriebsprüfung trat an die Stelle von Anträgen auf Statusfeststellung, die von den Beigeladenen zu 1. und 2. bereits im Oktober und Dezember 2007 gestellt wurden:

Am 23. Oktober 2007 stellte die Beigeladene zu 1. einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status. Darin gab sie an, dass sie in der Praxis der Klägerin im Bereich der psychologischen Diagnostik und Psychotherapie tätig gewesen sei. Daneben sei sie für die Diplom-Psychologin S... J... und diverse Privatpatienten als weitere Auftraggeber tätig. Davor sei sie für die Klägerin als Arbeitnehmer tätig gewesen. Ihre jetzige Arbeit finde am Betriebssitz der Klägerin als Auftraggeberin statt. Ihr eigenes unternehmerisches Handeln bestehe in eigener Honorarkalkulation und -forderung sowie in der Annahme von Aufträgen im Einzelfall nach fachlicher Prüfung. Beigefügt war ein Vertrag über freie Mitarbeit vom 18. Oktober 2004, wonach die Beigeladene zu 1. als Diplom-Psychologin für Testdiagnostik und Psychotherapie tätig werde. Sie sei nicht verpflichtet, den Auftrag höchstpersönlich auszuführen und könne sich geeigneter Erfüllungsgehilfen bedienen. Sie unterliege keinem Weisungs-und Direktionsrecht und sei in Bezug auf Zeit, Dauer, Art und Ort der Ausübung der Tätigkeit frei und nicht in die Arbeitsorganisation der Auftraggeberin eingebunden. Sie erhalte eine stundenweise Vergütung ihrer Tätigkeit, die am Ende eines Abrechnungszeitraums, zum Beispiel eines Monats, gezahlt werde. Von der Klägerin als Praxisinhaberin würden die Arbeitsmaterialien zur Verfügung gestellt bzw. die Aufwendungen ersetzt, die zur Arbeitsdurchführung erforderlich seien. Die Beigeladene zu 1. sei verpflichtet, ihre Arbeitsergebnisse schriftlich zu dokumentieren, bzw. Berichte zu erstellen und die Unterlagen den Patientenakten beizufügen. Ferner überreichte sie einen Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 16. Dezember 2004, wonach ihr Überbrückungsgeld zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit für die Zeit vom 19. Oktober 2004 bis zum 18. April 2005 gewährt wurde. Gegenüber der Beigeladenen zu 1. wies die Beklagte auf den Vorrang der Betriebsprüfung hin. Eine Entscheidung im Statusfeststellungsverfahren könne nicht ergehen.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 beantragte die Beigeladene zu 2. ebenfalls die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status. Ihre Tätigkeit bestehe in der Diagnostik und Psychotherapie für Kinder und Jugendliche sowie Elternberatung, Teilnahme an Mitarbeiterbesprechungen und Berichtswesen. Sie werde für die Klägerin als Auftraggeberin tätig sowie für die Praxis K... M... S... in G... . Zuvor sei sie für die Klägerin als Arbeitnehmern tätig gewesen. Ihr eigenes unternehmerisches Handeln bestehe in einer eigenen Kalkulation, die vor allem den Stundenumfang insgesamt betreffe, aber auch die Wahl der Auftraggeber. Preise würden ausgehandelt und sie könne bestimmte Patienten ablehnen. Beigefügt war ein Vertrag über freie...

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