Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Erbschaft. Behindertentestament. angeordnete Testamentsvollstreckung. Freigabe ausreichender Geldbeträge durch den Testamentsvollstrecker

 

Leitsatz (amtlich)

Das Einkommen aus einem Erbfall ist im Falle einer aus einer angeordneten Testamentsvollstreckung resultierenden Verfügungsbeschränkung des Hilfebedürftigen insoweit zu berücksichtigen, als diesem aufgrund einer Freigabe durch den Testamentsvollstrecker tatsächlich bereite Mittel aus der Erbschaft zufließen und zur Deckung des Bedarfs verwendet werden können.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig sind Ansprüche des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 6. Juli bis 21. Dezember 2010.

Der 1965 geborene, alleinstehende und langjährig alkoholabhängige Kläger stand bei dem Beklagten nach vorangegangenem Sozialhilfebezug seit dem 1. Januar 2005 im Leistungsbezug nach dem SGB II. Er bewohnte mit seiner 1943 geborenen, verwitweten und berenteten Mutter ein Einfamilienhaus unter der Anschrift L.. Nachdem der Kläger Kosten für Unterkunft und Heizung nicht geltend machte, bewilligte der Beklagte ihm jeweils nur die Regelleistung in der maßgeblichen Höhe. Die Leistungen wurden auf das Konto der Mutter überwiesen. Diese war Alleineigentümerin des gemeinsam genutzten Hausgrundstücks und daneben Alleineigentümerin eines weiteren Hausgrundstücks unter der Anschrift M.. Sie hatte am 27. Januar 2003 ein notarielles Testament errichtet. Darin bestimmte sie den Kläger, welcher ihr einziges Kind war, sowie ihren Cousin N. O. zu ihren Erben zu je 1/2. Dabei wurde der Kläger als Vorerbe eingesetzt und zu seinem Nacherben der Cousin N. O.. Weiter heißt es in dem Testament:

“Weil mein Sohn nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen, insbesondere die ihm durch den Erbfall zufallenden Vermögensteile selbst zu verwalten, ordne ich für die Verwaltung des Erbteils von meinem Sohn A. B. Testamentsvollstreckung als Dauervollstreckung auf die Lebenszeit von meinem Sohn A. B. an.

Zum Testamentsvollstrecker benenne ich meinen vorgenannten Cousin N. O., ersatzweise soll das Nachlassgericht einen geeigneten Testamentsvollstrecker bestimmen. Der Testamentsvollstrecker ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Über den Erbteil insgesamt darf der Testamentsvollstrecker nur mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichts verfügen. Der Testamentsvollstrecker hat den Erbteil einschließlich der Erträge und Nutzungen zu verwalten, Geldbeträge gewinnbringend anzulegen und, falls Grundstücke vorhanden sind, diese in ordnungsgemäßem Zustand zu halten und zu vermieten.

Der Testamentsvollstrecker ist verpflichtet, meinem Sohn A. B. für die nachgenannten Zwecke Mittel nach freiem Ermessen aus den Erträgnissen des Vermächtnisses zur Verfügung zu stellen:

Taschengeld in angemessener Höhe, Kleidung, Bettwäsche, persönliche Anschaffungen, die Einrichtung und Gewährung einer Wohnung im bisherigen Umfang einschließlich der Anschaffung der dafür notwendigen Materialien und Ausstattungsgegenstände, ärztliche Behandlung, Therapien und Medikamente, die von der Krankenkasse nicht oder nicht vollständig bezahlt werden, z.B. Brille, Zahnersatz, Kuraufenthalte, Besuche bei Verwandten und Freunden.

Auf die Substanz des Vermögens darf der Testamentsvollstrecker zurückgreifen, sofern dies notwendig ist. Der Testamentsvollstrecker hat immer nach dem Wohle meines Sohnes A. B. zu entscheiden.„

Die Mutter des Klägers verstarb am 21. Januar 2009. Mit Beschluss des Amtsgerichts Papenburg vom 16. Juni 2010 wurde für den Kläger wegen einer Minderbegabung und einer ca. 35 Jahre andauernden Alkoholerkrankung, die zu Persönlichkeitsveränderungen und einer substanzinduzierten Demenz geführt hatte, ein Betreuer mit dem Aufgabenkreis Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge sowie Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten bestellt. Der Testamentsvollstrecker P. O. teilte dem Betreuer mit Schreiben vom 1. Juli 2010 mit, dass zwei Liegenschaften (Q. und R. in S.) vorhanden gewesen seien. Die Liegenschaft Q. habe er veräußert und den Kaufpreis zu 50 % auf ein Testamentsvollstreckerkonto bei der T. eingezahlt. Auf diesem Konto stehe aktuell ein Betrag von ca. 34.000,00 € zur Verfügung. Von diesem Konto zahle er sämtliche Nebenkosten und Grundsteuern für das von dem Kläger bewohnte Haus R.. Ferner bestreite er die anfallenden Ausgaben “für Nahrungsmittel, Bekleidung etc„. Außerdem erhalte der Kläger von diesem Konto monatlich 200,00 € “für private Dinge„. Schließlich zahle er auch die Kosten der Grabpflege für zwei Grabstellen. Eingezahlt würden auf dieses Konto die monatlichen “Bezüge Hartz IV„.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger zuletzt mit Bescheid vom 5. Januar 2010 Leistungen nach dem SGB II in Höhe der Regelleistung für den Bewilligungszeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2010. ...

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