Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Bestimmtheit von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. horizontale Berechnungsmethode. fehlende Berücksichtigung des Einkommens eines Elternteils beim mit diesem in Bedarfsgemeinschaft lebenden unverheirateten Kind. materielle Rechtswidrigkeit

 

Orientierungssatz

1. Hinreichend bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB 10 ist ein Verwaltungsakt immer dann, wenn der Adressat dem Verfügungssatz, ggf unter Einbeziehung der Begründung, eindeutig entnehmen kann, was ihm gegenüber geregelt und ggf von ihm verlangt wird.

2. Ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2, mit dem entgegen § 9 Abs 2 S 2 und 3 SGB 2 nur ein Mitglied einer mehrköpfigen Bedarfsgemeinschaft auf den Gesamtbetrag der Überzahlung in Anspruch genommen wird, ist zwar materiell rechtswidrig, jedoch nicht unbestimmt, wenn sich die Inanspruchnahme des Einzelnen aus dem Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides zweifelsfrei ergibt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.05.2012; Aktenzeichen B 4 AS 154/11 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 18. Dezember 2008 teilweise aufgehoben und dahingehend abgeändert, dass der Bescheid des Beklagten vom 19. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2007 nur insoweit aufgehoben wird, als darin von der Klägerin mehr als 102,89 € zurückgefordert werden.

Der Beklagte hat der Klägerin 1/8 von deren außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens zu erstatten.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen der vom Sozialgericht (SG) zugelassenen Berufung über die Rechtsmäßigkeit einer Rückforderung in Höhe von nunmehr noch 102,89 € für Juli 2007.

Die im Jahr 1970 geborene Klägerin und ihre Tochter beziehen seit 2006 Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende von dem Beklagten. Die Klägerin war im Umfang von 17 Stunden pro Woche als Köchin in den J. beschäftigt und bezog dafür monatlich schwankenden Arbeitslohn. Mit Bescheid vom 3. Mai 207 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter Leistungen für Juli 2007 in Höhe von 308,00 € auf der Grundlage eines Nettoentgeltes von 800,00 €. Mit Änderungsbescheid vom 14. Mai 2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juni bis 30. November 2007, für Juni 2007 in Höhe von 369,00 € und für Juli 2007 in Höhe von 358,00 €. Im Juli berücksichtigte sie dabei ein Nettoerwerbseinkommen der Klägerin von 750,00 €. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 6. Juni 2007 erhöhte der Beklagte schließlich die Leistung auf 392,00 € (unter Berücksichtigung von 720,00 € als Nettoentgelt).

Am 7. September 2007 übersandte die Klägerin dem Beklagten eine am 19. Juli 2007 ausgestellte Verdienstabrechnung über ein Nettogehalt von 854,27 € für Juli 2007, in dem Nachzahlungen aus dem Tarifabschluss 2005 enthalten waren. Mit Schreiben vom 10. September 2007 hörte der Beklagte die Klägerin zu der für Juli 2007 vorgesehenen teilweisen Aufhebung und Rückforderung der Leistungen in Höhe von 122,10 € an. Diese berief sich darauf, dass es im Juli 2007 lediglich zu einer zusätzlichen Einmalzahlung und nicht zu einer Erhöhung der laufenden Entlohnung gekommen sei. Mit einem allein an die Klägerin adressierten Bescheid vom 19. September 2007 hob der Beklagte seinen Bewilligungsbescheid vom 3. Mai 2007 für die Zeit vom 1. bis 31. Juli 2007 in Höhe von 122,10 € auf und forderte die Erstattung dieses Betrages. Dabei bediente er sich u. a. der folgenden Formulierungen:

"Sehr geehrte Frau K.,

die Entscheidung vom 03.05.2007 über die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wird vom 01.07.2007 bis 31.07.2007 für Sie in Höhe von 122,10 Euro aufgehoben".

Nach einer lediglich zwischen den beiden Leistungsarten "Arbeitslosengeld II (Regelleistung)" und "Leistungen für Unterkunft und Heizung", nicht jedoch zwischen der Klägerin und ihrer Tochter als den beiden Leistungsempfängerinnen unterscheidenden Aufstellung der überzahlten Beträge, die im Ergebnis zu einer Gesamtforderung von 122,10 € gelangte, teilte der Beklagte der Klägerin weiter mit:

"Sie haben Einkommen oder Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung Ihres Anspruchs geführt hat (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X).

In der Zeit vom 01.07.2007 bis 31.07.2007 wurden Ihnen Leistungen nach dem SGB II in der genannten Höhe zu Unrecht gezahlt. Diese Beträge sind von Ihnen gemäß § 50 SGB X zu erstatten."

Am 1. Oktober 2007 erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, sie habe im Juli 2007 eine Einmalzahlung wegen des Tarifabschlusses 2005 sowie gem. TVöD/BT-K § 52 Abs. 4 erhalten, die auf sechs Monate zu verteilen sei. Mit seinem Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2007 trat der Beklagte dieser Re...

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