Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommens- bzw Vermögensberücksichtigung. Steuererstattung. einmalige Einnahme. Aufteilung auf angemessenen Zeitraum. Ermächtigungskonformität

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Steuererstattung ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB 2.

2. Im Recht der Grundsicherung für Arbeitssuchende kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass nicht verbrauchtes Einkommen sich bereits nach Ablauf des Zuflussmonats in Vermögen umwandelt.

3. Die rechtliche Zuordnung einmaliger Einnahmen als Einkommen bleibt zumindest für die Dauer von 6 Monaten während einer fortlaufenden, nicht durch eine Zäsur unterbrochenen Leistungsbeziehung unverändert. Als eine ausreichende Zäsur kann jedenfalls nicht schon der Beginn eines neuen Bewilligungszeitraums iS des § 41 Abs 1 S 4 SGB 2 angesehen werden.

4. Der Zufluss einer werthaltigen Rechtsposition erfolgt in dem Zeitpunkt, in welchem unter Zugrundelegung einer vernünftigen wirtschaftlichen Betrachtungsweise davon ausgegangen werden kann, dass der fragliche Vermögenswert zur Sicherung des Lebensunterhaltes zur Verfügung steht.

5. Bei der Aufteilung des Einkommens auf einen "angemessenen Zeitraum" nach § 2 Abs 3 S 3 AlgIIV idF vom 22.8.2005 ist eine gleichmäßige Aufteilung auf die in Betracht kommende Anzahl Monate, regelmäßig auf 6 Monate, längstens auf 12 Monate, erforderlich.

6. Mit § 2 Abs 3 S 3 AlgIIV idF vom 22.8.2005 wird der Behörde kein Ermessen eingeräumt; vielmehr handelt es sich bei der Bestimmung eines "angemessenen Zeitraumes" um einen - gerichtlich voll überprüfbaren - unbestimmten Rechtsbegriff.

 

Orientierungssatz

§ 2 Abs 3 S 3 AlgIIV idF vom 22.8.2005 steht mit der Verordnungsermächtigung in § 13 S 1 Nr 1 SGB 2 aF in Einklang.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 13.05.2009; Aktenzeichen B 4 AS 49/08 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 17.Oktober2006 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage der Anrechnung einer Steuererstattung als Einkommen nach § 11 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der 1957 geborene und alleinstehende Kläger, der bis Ende November 2005 monatlich Arbeitslosengeld I i. H. v. 334,50 € bezogen hatte, beantragte am 10. November 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Der Beklagte bewilligte ihm zunächst für den Zeitraum Dezember 2005 bis April 2006 Leistungen in Höhe von monatlich 601,30 €. Hierbei legte er einen Bedarf in Höhe von 636,50 € zugrunde (Regelleistung 345,00 € sowie Kosten für Unterkunft und Heizung 291,50 €; letztere teilen sich auf in einerseits Unterkunftskosten unter Berücksichtigung - ohne Vornahme von Abzügen - einer monatliche Gesamtmiete i. H. v. 237,50 €, in welcher Kosten für Reinigung und Wartung der Etagenheizung i. H. v. 5,52 €, eine Antennen- bzw. Kabelgebühr i. H. v. 7,00 € sowie sonstige umlagefähige Nebenkosten i. H. v. 63,20 € enthalten waren, und andererseits Heizkosten unter Berücksichtigung - ohne Vornahme von Abzügen - eines vom Kläger zu entrichtenden Abschlagsbetrages für Erdgas i. H. v. monatlich 54,00 €). Einkommen berücksichtigte der Beklagte in zunächst wechselnder Höhe: Nachdem die weiteren Ermittlungen ein monatliches Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von regelmäßig 144,00 € ergaben, ermittelte der Beklagte auf dieser Grundlage einen Anrechnungsbetrag i. H. v. 35,20 € monatlich unter Berücksichtigung eines Grundfreibetrages i. H. v. 100,00 € und eines weiteren Freibetrages i. H. v. 8,80 €. Über Vermögen verfügte der Kläger nach seinen Angaben im Antragsformular lediglich in geringer, deutlich unterhalb der Freibeträge bleibender Höhe.

Am 28. Februar 2006 wurde dem Konto des Klägers eine Steuererstattung des Finanzamtes I. i. H. v. 832,55 € für das Veranlagungsjahr 2005 gutgeschrieben. Hinsichtlich der Anrechnung der Steuererstattung erteilte der Beklagte dem Kläger mit Datum vom 27. März 2006 einen Änderungsbescheid, wonach diese Rückerstattung in fünf Raten einbehalten werden sollte, nämlich i. H. v. 432,55 € im April 2006 sowie i. H. v. 100,00 € in den Monaten Mai bis August 2006. Der Kläger legte am 4. April 2006 Widerspruch ein. Er meinte, selbst wenn eine Anrechnung zulässig wäre, könne es nicht sein, dass ihm im April 2006 gleich ein Betrag in Höhe von 432,55 € abgezogen würde. Mit Änderungsbescheid vom 27. April 2006 änderte der Beklagte den angefochtenen Bescheid aufgrund des Widerspruchs erneut. Die Änderung betraf den Monat April 2006, insoweit wurde ein Betrag i. H. v. 100,00 € aus der Steuerrückerstattung angerechnet, für April 2006 wurden dem Kläger nunmehr 501,30 € bewilligt. Den weiteren Anrechnungsbetrag verteilte der Beklagte gemäß den Ausführungen in diesem Bescheid auf 100,00 € im Monat Mai 2006 und jeweils 158,13 € in den Monaten Juni bis September 2006.

Mit ebenfalls vom 27. April 2006 datierendem Bescheid bewilligte der Bekl...

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