Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit der Berufung. Versäumung der Berufungsfrist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Verschulden des Prozessbevollmächtigten. Versendung der Rechtsmittelschrift kurz vor Ablauf der Rechtsmittelfrist. unterlassene Prüfung: fristwahrende Zustellung durch privates Postunternehmen. zu erwartende vergleichbar hohe Verlässlichkeit wie bei einer Inanspruchnahme des Postuniversaldienstes

 

Leitsatz (amtlich)

Einem Prozessbevollmächtigten, der wenige Tage vor Ablauf der Rechtsmittelfrist die Rechtsbehelfsschrift mit einem privaten Postunternehmen übermitteln will, obliegt eine gewissenhafte Prüfung, ob eine fristwahrende Zustellung der Rechtsmittelschrift mit jedenfalls gleich hoher Verlässlichkeit zu erwarten ist wie bei einer Inanspruchnahme des Postuniversaldienstes.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die 1955 geborene Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Beitragszahlungen zur Rentenversicherung weist ihr Versicherungsverlauf zuletzt für November 2006 aus. Nachfolgend hat die Klägerin keine rentenrechtlichen Zeiten mehr zurückgelegt (vgl. wegen der Einzelzeiten Versicherungsverlauf vom 8. Januar 2015, Bl. 113 f. GA).

Bei Rentenantragstellung im Juni 2012 gab sie an, dass sie sich seit einem Unfallereignis aus dem Jahr 2002 für erwerbsgemindert erachte. Weitere Unfälle habe sie 2006 und 2009 erlitten.

Bei dem Unfall am 23. September 2002 stürzte die Klägerin, als ihr Hund an der Leine zog, mit der rechten Thoraxseite auf einen Fahrradständer. Bei der Erstversorgung im Universitätsklinikum F. (Bl. 63 VV) konnte weder eine Prellmarke noch eine offene Verletzung erkannt werden. Die Röntgenaufnahmen gaben keine Hinweise auf eine knöcherne Verletzung.

Bei dem weiteren Unfall am 2. November 2006 stürzte die Klägerin auf das rechte Kniegelenk, nachdem sie ein Hund in die linke Hand gebissen hatte. Im Evangelischen Krankenhaus G. wurde bei Schürfungen im Bereich der Hände und einer Prellmarke am Kniegelenk bei Ausschluss knöchernen Verletzungen nur ein Anlass zu rein symptomatischen Maßnahmen gesehen (vgl. Bl. 104 GA). Am 23. Dezember 2009 stellte sich die Klägerin erneut in diesem Krankenhaus vor, nachdem sie als Fahrgast in einem Taxi eine HWS-Distorsion erlitten hatte.

Im Zeitraum ab Dezember 2006 sei sie im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit beruflich aktiv gewesen. Der Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes F. vom 17. Oktober 2011 weist für das Jahr 2010 Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb in Höhe von 4.391 € aus.

Bei der Begutachtung durch den Orthopäden Dr. H. am 11. Oktober 2012 erläuterte die Klägerin, dass sie von 2007 bis 2011 eine Gaststätte geführt habe; der Betrieb sei aus wirtschaftlichen und gesundheitlichen Gründen geschlossen worden. Ausgehend von einer fortgeschrittenen Arthrose im Bereich des rechten Kniegelenks und dem Verdacht des Rezidivs eines Mammakarzinoms empfahl der Gutachter die Gewährung einer Zeitrente.

Auf Nachfrage der Beklagten erläuterte die Klägerin, dass sie ab Dezember 2006 als Kauffrau Verwaltungstätigkeiten in einem Gastronomiebetrieb ausgeführt habe; seit Oktober 2011 sei sie fortlaufend arbeitsunfähig. Sie habe höchsten vier oder sechs Stunden in der Woche gearbeitet (vgl. Bl. 107 f., 114 VV).

Bei einer weiteren Begutachtung durch den Nervenarzt I. erläuterte die Klägerin erneut, dass sie von 2007 bis 2011 eine Gaststätte geführt habe. Seit Aufgabe der Gaststätte bestreite sie ihren Lebensunterhalt mit Witwenrentenbezügen. Seit 2009 sei sie in regelmäßiger nervenärztlicher Behandlung und erhalte Antidepressiva. Die Anfallsfrequenz ihrer Migräne könne sie mit einem Migräneprophylaktikum gut eindämmen.

Beschwerden im Bereich des rechten Knies bestünden seit 2002, wobei 2012 eine retropatellare Knorpelschädigung vom Grad III im rechten Knie festgestellt worden sei. Im Oktober 2011 sei ein Mammakarzinom diagnostiziert worden. Auch dieser Gutachter ging von einem aufgehobenen beruflichen Leistungsvermögen aus.

Mit Bescheid vom 15. Juli 2013 (Bl. 212 VV) in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab. Zwar erfülle die Klägerin seit der Erstdiagnose der Krebserkrankung im Oktober 2011 die medizinischen Voraussetzungen für die begehrte Rente; seinerzeit habe sie jedoch schon nicht mehr die nach den gesetzlichen Vorgaben darüber hinaus erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. In den dem Leistungsfall vorausgegangenen 60 Monaten habe sie lediglich zwei Monate mit Pflichtbeiträgen und nicht - wie nach den gesetzlichen Vorgaben mindestens erforderlich gewesen wäre - zumindest 36 Pflichtbeitragsmonate zurückgelegt.

Mit der am 24. Februar 2014 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie seit dem im Jahr 2002 erlittenen Unfall „zu 100 % arbeitsunfähig“ sei. In dem im Sommer 2007 aufgenommen...

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