Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Vermutung der Angemessenheit von Heizkosten. Keine Kürzung bei Überschreitung eines Quadratmeterrichtwertes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Aufwendungen, die als laufende Kosten für Heizung nach dem Mietvertrag oder den Vorauszahlungsfestsetzungen der Energie- bzw Fernwärmeversorgungsunternehmen zu erbringen sind, spricht zunächst eine Vermutung der Angemessenheit, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte für den unwirtschaftliches und damit unangemessenes Heizverhalten vorliegen.

2. Es steht mit § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 nicht in Einklang, wenn die vertraglich geschuldeten monatlichen Heizungskosten auf einen nach Ansicht des Leistungsträgers angemessenen Anteil gekürzt werden (hier 0,97 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche).

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 2. November 2005 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

 

Gründe

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Lüneburg vom 2. November 2005 ist nicht begründet. Das SG hat den Antragsgegner zu Recht im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtet, weitere Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 23,50 € zu erbringen. Der Antragsgegner ist dadurch rechtlich nicht beschwert. Der Senat verweist zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Beschlussbegründung, § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG.

Das Beschwerdevorbringen bietet keinen Anlass zu einer anderen Betrachtungsweise.

Der 1968 geborene Antragsteller bezieht Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Der Antragsgegner erbringt die Leistungen hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß §§ 22 Abs. 1, 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II als kommunaler Träger. Im Mietvertrag des Antragstellers vom 14. Februar 2005, der das Mietverhältnis ab 1. März 2005 begründet hat, sind folgende Positionen vereinbart: Kaltmiete 130,00 €, Heizung 50,00 €, Strom 25, €, Wasser 25,00 €, Kabel 15,00 €, Müll 5,00 €; der Gesamtbetrag beläuft sich daher auf 250,00 €. Der Antragsgegner hat bewilligt, einen monatlichen Betrag von 192,50 € bewilligt (Bescheide vom 7. Juli und 26. August 2005, Widerspruchsbescheid vom 30. September 2005, dagegen Klage zum SG Lüneburg - S 25 AS 663/05 -). Herausgenommen wurden die Kosten für den Strom, da sie im Regelsatz enthalten seien, womit der Antragsteller einverstanden ist. Weiterhin wurden Abzüge für Wasser/Abwasser und die Heizkosten gemacht, da diese unangemessen hoch seien. Der vom Antragsteller ermittelte Betrag von 216,00 € könne daher nicht übernommen werden. Auch in der Beschwerde wird weiterhin behauptet, die Aufwendungen für Wasser/Abwasser und die Beheizung seien unangemessen hoch. Sie dürften daher nicht übernommen werden, der Beschluss des SG Lüneburg weise einen schwerwiegenden Rechtsfehler auf. Diese Annahme der Antragsgegnerin trifft nicht zu.

Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Sind die tatsächlichen Aufwendungen unangemessen, sind sie durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise zu senken. In der Regel sollen die “unangemessenen Kosten" längstens für sechs Monate übernommen werden.

Nach der Rechtsprechung des Senats hinsichtlich der Angemessenheit von Unterkunftskosten sind die Unterkunftskosten des Antragstellers unzweifelhaft angemessen. Der Senat legt insoweit regelmäßig, sofern nicht spezielle örtliche Mietspiegel vorhanden sind, die aktuelle Wohngeldtabelle nach dem Wohngeldgesetz (§ 8) zugrunde. Wird die Tabelle zugrunde gelegt, und zwar die rechte Spalte, wäre eine Wohnungsmiete (“Warmmiete") bis zu 325,00 € monatlich angemessen. Denn die Stadt D., in welcher der Antragsteller wohnt, gehört zu einer Gemeinde mit der Mietstufe IV, bei einem zum Haushalt rechnenden Familienmitglied - dem Antragsteller - ergibt sich daraus unter Zugrundelegung des Tabellenwertes der rechten Spalte (Wohnraum, der ab 1. Januar 1992 bezugsfertig geworden ist) ein Tabellenwert von 325,00 €. Dieser Tabellenwert in der rechten Spalte wird regelmäßig zugrunde zu legen sein, auch um Leistungsempfängern und den Sozialleistungsträgern zur Bestimmung des Begriffs der Angemessenheit klare und eindeutige “Richtlinien" an die Hand zu geben (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Mai 2005 - L 8 AS 78/95 ER -; zuletzt Beschluss vom 28. November 2005 - L 8 AS 181/05 ER -). Davon sollte nur abgesehen werden, wenn der örtliche Wohnungsmarkt durch aussagekräftige Mietspiegel erschlossen wurde oder im Einzelfall eine andere Betrachtungsweise angezeigt ist. Letztgenannte Umstände liegen hier offensichtlich nicht vor.

Bereits unter Zugrundelegung dieses Tabellenwertes ergibt sich, dass die Unterkunftskosten im Bereich des angemessenen liegen. Zu den Kosten der Unterkunft gehören neben den Haupt...

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