Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Kindergeld für volljährige Kinder

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist die Mutter eines volljährigen Kindes nach § 62 Abs 1 EStG Anspruchsberechtigte für das Kindergeld der volljährigen Tochter und wird es an sie ausgezahlt, ist dies Einkommen der Mutter gemäß § 11 Abs 1 S 1 SGB 2.

2. Auch bei einer Weitergabe des Kindergeldes an das volljährige Kind bleibt das Kindergeld Einkommen der Mutter.

3. Für das volljährige Kind besteht die Möglichkeit, nach § 74 EStG vorzugehen, um das Kindergeld an sich auszahlen zu lassen.

 

Gründe

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Hildesheim vom 4. Mai 2005 ist nicht begründet.

Die Antragsteller haben den nötigen Anordnungsanspruch - das Bestehen des geltend gemachten Rechts gegenüber der Antragsgegnerin - nicht glaubhaft gemacht. Das für die volljährige Tochter G. der Antragstellerin zu 1. gezahlte Kindergeld ist in Höhe von 154,00 € als Einkommen der Antragstellerin zu 1. bedarfsmindernd zu berücksichtigen.

Die 1962 geborene Antragstellerin zu 1. lebt in einer Bedarfsgemeinschaft mit ihren beiden minderjährigen Kindern, den Antragstellern zu 2. und 3. Diese erhalten Leistungen von der Antragsgegnerin nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Die Leistung war zunächst geregelt durch Bescheid des Landkreises H. vom 29. Dezember 2004, der ersetzt wurde durch Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. März 2005. Darin wurden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. April bis 30. Juni 2005 bewilligt; als Einkommen der Antragstellerin zu 1. wurde ua das ihr für die volljährige Tochter G. - geb. 1984 - zufließende Kindergeld in Höhe von 154,00 € monatlich einkommensmindernd berücksichtigt. Gegen den Bescheid vom 29. Dezember 2004 wandten sich die Antragsteller mit einem bislang nicht beschiedenen Widerspruch. Ob gegen den Bescheid vom 22. März 2005 Widerspruch eingelegt wurde, ist aus den Unterlagen nicht ersichtlich.

Die Antragsteller haben am 23. März 2005 um vorläufigen Rechtsschutz beim SG Hildesheim mit dem Ziel nachgesucht, ihnen Leistungen ohne Anrechnung des Kindergeldes für G. zu bewilligen und auszuzahlen. Zur Begründung haben sie vorgetragen, dass G. eine Ausbildung absolviere, die dem Grunde nach förderungsfähig nach den Vorschriften des BAföG sei. Leistungen seien nicht bewilligt worden, da die konkreten Anspruchsvoraussetzungen nicht vorlägen (Bescheid vom 30. November 2004). Das Kindergeld müsse daher an diese Tochter weitergereicht werden, damit sie über ausreichenden Unterhalt verfüge, um ihre Ausbildung fortsetzen zu können. Sie - die Antragstellerin zu 1. - leite das Kindergeld schon jetzt an ihre volljährige Tochter weiter. Die Antragsgegnerin hat erwidert, dass das Kindergeld nach der maßgeblichen gesetzlichen Regelung Einkommen des Kindergeldberechtigten sei, also der Antragstellerin zu 1.

Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 4. Mai 2005 abgelehnt, weil der nötige Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht sei.

Der Beschluss wurde den Antragstellern am 10. Mai 2005 zugestellt.

Die Antragsteller haben am 19. Mai 2005 Beschwerde eingelegt. Sie tragen vor, dass im Hinblick auf die streitbefangenen monatlichen 154,00 € ein Anordnungsgrund gegeben sei. Das monatliche Kindergeld in Höhe von 154,00 € dürfe als Einkommen nicht berücksichtigt werden.

Bei diesem Sachstand ist das Begehren der Antragsteller erfolglos, weil sie keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung der streitigen 154,00 € monatliches Kindergeld für die volljährige Tochter der Antragstellerin zu 1. haben. Sie haben daher den für den vorläufigen Rechtsschutz nötigen Anordnungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht, § 86b Abs 2 SGG. Es kommt nicht mehr auf die Beurteilung der Frage an, ob das SG den Anordnungsgrund zu Unrecht verneint hat.

Die Antragsteller sind anspruchsberechtigt nach dem SGB II. Dementsprechend haben sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten; die Antragstellerin zu 1. das Arbeitslosengeld II und ihre beiden minderjährigen Kinder das Sozialgeld. Zu dieser Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 SGB II gehört die am 17. Juni 1984 geborene und damit volljährige Tochter der Antragstellerin zu 1. G. nicht, auch wenn sie weiterhin mit ihrer Mutter - der Antragstellerin zu 1. - in einem Haushalt zusammenlebt, wie sich aus § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II ergibt. Danach gehören zur Bedarfsgemeinschaft die dem Haushalt angehörigen minderjährigen unverheirateten Kinder, nicht die volljährige Tochter. Diese hätte gegebenenfalls einen eigenständigen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.

Bei der Leistungsgewährung nach dem SGB II ist gemäß § 11 Abs 1 SGB II Einkommen zu berücksichtigen. Das der Antragstellerin zu 1. ausgezahlte Kindergeld für ihre volljährige Tochter ist Einkommen in diesem Sinne und daher bei...

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