Entscheidungsstichwort (Thema)

Anhörungsrüge. rechtliches Gehör. Würdigung von Parteivortrag

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Gericht genügt dem Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und erwägt. Es muss sich indes nicht mit jedem Vorbringen in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich befassen.

 

Normenkette

SGG § 178a Abs. 1 S. 1, § 62; GG Art. 103 Abs. 1

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 07.02.2012; Aktenzeichen 1 BvR 1263/11)

 

Tenor

Die Anhörungsrüge der Kläger gegen den Beschluss des Senats vom 29. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Kläger wenden sich mit ihrer am 9. November 2010 eingegangenen Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 29. Oktober 2010, mit dem der Senat im Verfahren L 8 AY 41/10 B ihre Beschwerde gegen den ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Bremen (SG) vom 16. April 2010 zurückgewiesen hat.

II.

Die Anhörungsrüge ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Der Senat hat nicht - wie nach § 178a Abs 1 Satz 1 SGG für eine erfolgreiche Anhörungsrüge erforderlich - den Anspruch der durch den unanfechtbaren Beschluss vom 29. Oktober 2010 beschwerten Kläger auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

Der Senat hat die PKH-Beschwerde der Kläger mit Beschluss vom 29. Oktober 2010 mit der Begründung zurückgewiesen, die Kläger hätten keinen Anspruch gemäß § 44 Abs 1 iVm Abs 4 SGB X gegen den Beklagten auf Erbringung der mit ihrer Klage begehrten Leistungen gemäß § 2 AsylbLG (unter Anrechnung der gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG) für den vergangenen Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. August 2007, weil bei ihnen ein sozialhilferechtlicher Bedarf mangels fortbestehender Bedürftigkeit nicht mehr bestehe.

Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Anhörungsrüge vor, der Senat habe ihr zentrales Vorbringen im PKH-Beschwerdeverfahren, die Rechtsfrage, ob ihre Bedürftigkeit für einen Erfolg ihrer Klage die ganze Zeit vorgelegen haben müsse oder lediglich zum Schluss der letzten Tatsachenverhandlung, sei (insbesondere nicht durch das Urteil des BSG vom 29. September 2009 - B 8 SO 16/08 R -) nicht geklärt, nicht auseinandergesetzt.

Der Senat hat sich jedoch in seinem Beschluss vom 29. Oktober 2010 in einer dem Gebot rechtlichen Gehörs genügenden Weise mit dem genannten Vorbringen der Kläger auseinandergesetzt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Artikel 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und mit in seine Erwägungen einzubeziehen. Dass dies geschehen ist, ist grundsätzlich anzunehmen, wenn das Gericht - wie hier in Gestalt des die Beschwerde ergänzend begründenden Schriftsatzes des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 25. Mai 2010 - den Vortrag entgegengenommen hat. Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Ein Gericht verletzt seine Pflicht, den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, dann, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Einzelfalles ergibt (BVerfG, Urteil vom 8. Oktober 1985 - 1 BvR 33/83 -, BVerfGE 70, 288 und vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 -, BVerfGE 96, 205).

Davon ausgehend hat der Senat seine Pflicht, das Vorbringen der Kläger zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht verletzt. Er hat in seinem Beschluss vom 29. Oktober 2010 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er die zur Beschwerdebegründung zentral vorgetragene Rechtsauffassung der Kläger (es sei höchstrichterlich - insbesondere durch das Urteil des BSG vom 29. September 2009 - nicht geklärt, ob ihre Bedürftigkeit für einen Anspruch aus § 44 SGB X die ganze Zeit vorgelegen haben müsse oder lediglich zum Schluss der letzten Tatsachenverhandlung) nicht teilt. Denn er hat insoweit ausgeführt:

"Die Kläger haben aber dessen ungeachtet keinen Anspruch gemäß § 44 Abs 1 iVm Abs 4 SGB X gegen den Beklagten auf Erbringung der begehrten Leistungen gemäß § 2 AsylbLG für den vergangenen Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. August 2007, weil bei ihnen ein sozialhilferechtlicher Bedarf mangels fortbestehender Bedürftigkeit nicht mehr besteht. Nach der auch von den Beteiligten als einschlägig herangezogenen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 16/08 R -, juris Rdnrn 19, 21) sind Sozialhilfeleistungen - und um solche handelt es sich der Sache nach auch bei den vorliegenden streitigen sogenannten Analogleistungen gemäß § 2 AsylbLG - im Wege des § 44 Abs 4 SGB X nachträglich in der Regel (nur) zu erbringen, wenn Bedürftigkeit im Sinne des SGB XII oder des SGB II ununterbrochen fortbesteht. Hier waren die Kläger zwischen dem 31. März 2007 (letzter Tag des Leistungsbezugs nach dem AsylbLG) und dem 12. Januar 2009 (Antrag nach § 44 SGB X) überwiegend nicht im Leitungsbezug nach dem AsylbLG, dem SGB II oder dem SGB XII, weil ihr Lebensunterhalt durch Erwerbseinkommen des Klägers zu ...

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