Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Anwendung des § 11 Abs 4 SGB 2 auf Tagespflege. Erziehungsbeitrag bzw Pflegegeld nach § 39 SGB 8. Anwendungsausschluss des § 11 Abs 1 bis 3 SGB 2. Alg II. Einkommen aus Tagespflege. Pflegegeld. Tagesmutter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vorschrift des § 11 Abs 4 SGB 2 ist auch auf den Fall der Tagespflege anzuwenden.

2. § 11 Abs 4 SGB 2 benennt lediglich Pflegegeld nach dem 8. Buch.

3. Eine Unterscheidung in die Leistungen nach § 23 SGB 8 (Tagesmütter) und § 39 SGB 8 wird in § 11 Abs 4 SGB 2 nicht vorgenommen und vor allem nicht etwa nur das Pflegegeld nach § 39 SGB 8 benannt. Ferner wird nicht klargestellt, dass § 11 Abs 4 SGB 2 nicht auch die Leistungen des § 23 SGB 8 umfasst.

 

Orientierungssatz

1. Die Regelung des § 11 Abs 4 SGB 2 bestimmt aufgrund der Formulierung "abweichend von den Abs 1 bis 3" eindeutig, dass eine Anwendung der Abs 1 bis 3 des § 11 SGB 2 ausgeschlossen ist, wenn es zur Anwendung des Abs 4 kommt, so dass weitere Absetzungen aufgrund der Regelungen des § 11 Abs 1 bis 3 SGB 2 ausscheiden. § 11 Abs 4 SGB 2 trifft ausdrücklich eine abweichende Sonderregelung.

2. Bei der Anwendung der Regelungen des § 11 Abs 4 SGB 2 sind die Kinder nach ihrem zeitlichen Eintritt in die Tagespflege zu berücksichtigen.

 

Normenkette

SGB II § 11 Abs. 4; SGB VIII §§ 23, 39

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 26. Juni 2008 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern für den Bewilligungsabschnitt vom 01. Juli 2007 bis zum 31. Dezember 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes wie folgt zu gewähren:

01. Juli 2007 bis 30. November 2007 in Höhe von monatlich 389,47 € und 01. Dezember bis 31. Dezember 2007 in Höhe von 414,72 €.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat den Klägern 3/4 ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Kläger für den Bewilligungszeitraum von Juli bis Dezember 2007 Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende haben und hierbei insbesondere, inwieweit das Pflegegeld zu berücksichtigen ist.

Der im Jahre 1978 geborene Kläger zu 1. ist erwerbslos und bezog seit 2005 bis zum Juni 2007 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Er lebt zusammen mit seiner Partnerin, der Klägerin zu 2., und deren Kinder F. E. (geboren im September 1998) und D. (geboren im März 2000).

Seit dem 01. Juni 2006 bewohnen die Kläger ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von insgesamt 120 m². Im Untergeschoss des Hauses (64,57 m²) werden derzeit fünf Kleinkinder in Tagespflege betreut. Laut Mietvertrag vom 04. Mai 2006 beträgt die Miete für das gesamte Haus 600,00 €. Die Nebenkosten (Grundsteuer, Gebäude- und Grundstückshaftpflicht, Straßenreinigungsgebühren, Müllgebühren) betragen 50,00 € monatlich. Die Aufwendungen für Heizung einschließlich der Warmwasseraufbereitung betragen 150,00 € monatlich. Die Stromkosten für das Haus betragen 82,00 € monatlich. Wassergebühren fallen in Höhe von 70,00 € monatlich an.

Für die Kinder wurde Kindergeld in Höhe von je 154,00 € monatlich und ein Unterhaltsvorschuss in Höhe von je 149,00 € monatlich gezahlt.

Der Kläger zu 1. bezog Wohngeld in Höhe von monatlich 134,57 €. Der Klägerin zu 2. wurde Wohngeld in Höhe von 32,43 € monatlich bewilligt.

Die Klägerin zu 2. hatte weiter Einkommen als Tagesmutter. Für die Betreuung eines Ganz-Tags-Kindes erhielt sie 415,52 €; für ein Kind in Teilzeitpflege 249,31 € monatlich. Im Einzelnen wurden im streitbefangenen Zeitraum die folgenden Kinder in Tagespflege betreut:

- P. E. seit 01. September 2006 bis 31. August 2007 ganztags,

- F. P. seit 01. September 2006 ganztags,

- C. seit 01. Februar 2007 bis 30. November 2007 Teilzeit,

- T. E. seit 01. Mai 2007 Teilzeit, ab 01. Dezember 2007ganztags,

- C2 seit 01. Juni 2007 ganztags,

- S. seit 01. September 2007 Teilzeit,

- F. J. seit 01. Dezember Teilzeit.

Die Klägerin zu 2. hatte Aufwendungen für eine private Krankenversicherung in Höhe von 150,00 €. Die Beiträge für eine private Rentenversicherung betrugen 50,00 € monatlich. Aufwendungen für eine Kfz-Haftpflichtversicherung wurden in Höhe von 19,99 € monatlich geltend gemacht.

Am 05. Juni 2007 beantragte der Kläger zu 1. die Fortzahlung des Alg II ab dem 01. Juli 2007.

Mit Bescheid der Beklagten vom 28. Juni 2007 lehnte diese den Antrag ab und führte unter anderem zur Begründung aus, dass keine Hilfebedürftigkeit vorliege.

Mit dem dagegen am 17. Juli 2007 erhobenen Widerspruch reichte er bei der Beklagten eine umfangreiche Auflistung aller, insbesondere der im Zusammenhang mit der Tagespflege, anfallenden Aufwendungen ein.

Am 20. Juli 2007 beantragte der Kläger zu 1. einstweiligen Rechtsschutz beim SG Rostock unter dem Az. S 12 ER 188/07 - AS und erhob nach Erlass des ablehnenden Widerspruchsbescheides vom 01. August 2007 am 28. August 2007 Klage vor d...

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