Entscheidungsstichwort (Thema)

Unangemessene Verfahrensdauer. PKH-Vergütung. immaterieller Nachteil. Angemessene Entschädigung. Überlanges Kostenfestsetzungsverfahren. Auszahlung von PKH-Vergütung an einen Rechtsanwalt. Unbilligkeit der Regelpauschale von 100 Euro pro Monat gemäß § 198 Abs 2 S 4 GVG. Vorbereitungs- und Bedenkzeit von 3 Monaten. sozialgerichtliches Verfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Entschädigung nach § 198 GVG kommt auch dann in Betracht, wenn ein Verfahren über die Festsetzung der PKH-Vergütung unangemessen lange dauert. Hiervon ist ab einer Dauer von drei Monaten zuzüglich Zeiten mit prozessfördernden Maßnahmen auszugehen.

 

Normenkette

GVG § 198 Abs. 1

 

Tenor

I. Es wird eine überlange Dauer des PKH-Vergütungsverfahrens S 16 AS 192/13 ER vor dem SG Neubrandenburg von sieben Monaten festgestellt und der Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung von 70,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 17. März 2014 zu zahlen.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Der Beklagte trägt 1/10, der Kläger 9/10 der Kosten des Verfahrens.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine Entschädigung in Höhe von mindestens 900,00 € wegen unangemessener Dauer eines Prozesskostenhilfevergütungsverfahrens.

Das zugrundeliegende erstinstanzliche, einstweilige Rechtsschutzverfahren war am 19. Februar 2013 unter gleichzeitiger Antragstellung auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) - u. a. gerichtet auf eine Heizkostengewährung - vor dem Sozialgericht (SG) Neubrandenburg erhoben worden. Mit Beschluss vom 19. März 2013 wurde PKH ohne Ratenzahlung gewährt und mit Beschluss vom 20. März 2013 der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Mit Schriftsatz vom 22. März 2013, eingegangen beim SG am 25. März 2013, beantragte der Kläger eine Erstattung zu Lasten der Staatskasse in Höhe von 286,79 €. Am 12. Juli 2013 wurde an die Erledigung des Antrages erinnert und mit weiterem Schriftsatz vom 09. August 2013 eine Frist für die Zahlung der PKH-Vergütung bis zum 16. August 2013 gesetzt.

Am 13. September 2013 ist eine Verzögerung des Kostenfestsetzungsverfahrens gerügt und in der Folge noch mehrfach (am 25. Oktober, 11. November, 29. November 2013 sowie 02. Januar 2014) an die Auszahlung der PKH-Vergütung erinnert worden. Zwischenzeitlich war seitens des SG mit Schreiben vom 02. Oktober 2013 darauf hingewiesen worden, dass angesichts einer Vielzahl offener Kostenfestsetzungsanträge eine Bearbeitung nach der zeitlichen Reihenfolge der Anträge erfolge. Am 13. Januar 2014 wurde ein zweites Mal eine Verzögerung des Verfahrens gerügt und mit Beschluss vom 27. Februar 2014 erfolgte dann eine Festsetzung in der beantragter Höhe von 286,79 €. Die Auszahlungsanordnung datiert vom 05. März 2014.

Am 17. März 2014 ist Klage vor dem Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg- Vorpommern erhoben worden mit der Begründung, dass bei einer PKH-Vergütung eine durchschnittliche Dauer von drei Monaten angemessen sein dürfte, da sozialgerichtliche Verfahren regelmäßig sechs Monate andauerten. Die Erstattung von Anwaltsgebühren stelle eine einfache Tätigkeit dar und habe vorliegend vom 22. März 2013 bis zum 11. März 2014 angedauert. Das PKH-Verfahren hätte bereits im Juni 2013 erledigt sein können, sodass eine Entschädigung in Höhe von 900,00 € zustehe. Es sei zu berücksichtigen, dass er als Rechtsanwalt auf die zustehenden Gebühren wirtschaftlich angewiesen sei, um seine Tätigkeit auszuüben, sodass ein Eingriff in Artikel 12 Grundgesetz (GG) vorliege. Ein Zinsanspruch bestehe für den Zeitraum vom 17. August 2013 bis zum 10. März 2014 bezogen auf den Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 286,79 € sowie hinsichtlich des geltend gemachten Entschädigungsanspruches.

Der Kläger beantragt,

der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung nach § 198 Abs. 5 GVG in Höhe von mindestens 900,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. März 2014 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Hinblick auf ein beim Bundessozialgericht (BSG) anhängiges Verfahren zur Klärung, ob Kostenfestsetzungsverfahren als eigenständige Verfahren überhaupt entschädigungsfähig sind (B 10 ÜG 8/13 R), wurde auf Antrag der Verfahrensbeteiligten am 19. Juni 2014 ein Ruhen des Verfahrens angeordnet und vom Kläger am 26. November 2014 die Weiterführung des Verfahrens beantragt.

Der Beklagte hat daraufhin am 12. Dezember 2014 vorgetragen, dass das Kostenfestsetzungsverfahren in der Tat unangemessen lange gedauert haben dürfte, die Festsetzung einer Entschädigung in Geld aber nicht als geboten erscheine. Der immaterielle Nachteil eines ein Kostenfestsetzungsverfahren in eigener Sache betreibenden Rechtsanwaltes dürfte bei ungemessener Verfahrensdauer als gering zu bewerten sein.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässig erhobene Klage ist insoweit begründet, als dem Kläger für eine überlange Dauer eines PKH-Vergütungsverfahrens eine Entschädigung von 70,...

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