Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Ausschluss der Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe. erst spätere Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen zuvor fehlender Angaben zur Prüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen. Prozesskostenhilfe erst ab Bewilligungsreife. Auswirkungen für die Vergütungsfestsetzung. Bemessung der Verfahrensgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Beschwerdeausschluss in § 172 Abs 3 Nr 2 Buchst a SGG erfasst auch Beschlüsse, mit denen Prozesskostenhilfe erst ab einem späterem Zeitpunkt bewilligt wird, weil das Gericht zuvor die wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht prüfen kann.

2. Eine derartige zeitliche Beschränkung ist jedoch im sozialgerichtlichen Regelfall, in dem Betragsrahmengebühren anfallen, regelmäßig für die Höhe der Vergütung ohne Auswirkung und daher zumeist entbehrlich; jedenfalls für die Bemessung der Höhe der Verfahrensgebühr ist die zeitliche Beschränkung der Bewilligung unerheblich.

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schwerin vom 13. April 2017, mit dem dem Kläger erst ab dem 25. Juli 2016 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und seine Prozessbevollmächtigte beigeordnet worden ist, wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Gewährung von Prozesskostenhilfe rückwirkend auf den Zeitpunkt des Prozesskostenhilfeantrages für ein mittlerweile abgeschlossenes Hauptsacheverfahren.

Am 4. März 2016 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen den Aufhebungsbescheid vom 16.Oktober 2015 Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2016 Klage erhoben und zeitgleich die Bewilligung von ratenfreier Prozesskostenhilfe beantragt. Mit der Klage wurde ein monatlicher Anspruch nach dem SGB II in Höhe von ca. 177 Euro für die Zeit von September bis Oktober 2015 begehrt.

Mit Schreiben vom 5. Juli 2016 wies das SG die Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass die Angaben im PKH-Antrag zum Wohngeld nicht dem tatsächlich bewilligten Wohngeld entsprächen. Es wurde ferner um Übersendung der aktuellen Rentenanpassungsmitteilung gebeten, da die Rente sich zum 1. Juli 2016 erhöht haben dürfte. Ferner wurde der Kläger gebeten sich die Mühe zu machen, seine Ausgaben für das Wohnen selbst zu addieren und dem Gericht mitzuteilen. Dies sei nicht Aufgabe des Gerichts. Daher erhalte die Prozessbevollmächtigte die Erklärung des Klägers zur Prozesskostenhilfe vollständig zurück, mit der Bitte, diese entsprechend zu korrigieren bzw. binnen eines Monats zu ergänzen.

Am 25. Juli 2016 wurde von der Prozessbevollmächtigten des Klägers ein korrigierter PKH-Antrag übersandt und entsprechende Anlagen beigereicht.

In der mündlichen Verhandlung vom 13. April 2017 bewilligte das SG dem Kläger durch Beschluss Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten ab 25. Juli 2016. Eine Begründung erfolgte nicht.

Mit Bescheid vom 16. August 2017 bewilligte der Beklagten dem Kläger einen monatlichen Gesamtbedarf für September bis Oktober 2015 in Höhe von 200,53 Euro. Daraufhin erklärte die Prozessbevollmächtigte des Klägers das Verfahren aufgrund des Bescheides vom 16. August 2017 in der Hauptsache erledigt.

Am 21. Januar 2019 erfolgte die Vergütungsfestsetzung. Eine Festsetzung der in Höhe der Mittelgebühr (300 Euro netto) beantragten Verfahrensgebühr sei nicht angemessen. Im vorliegenden Fall sei die Prozessbevollmächtigte des Klägers erst ab dem 25. Juli 2016 beigeordnet worden. Die aufgezählten zu vergütenden Tätigkeiten seien vor dem Zeitpunkt der Bewilligung und Beiordnung vorgenommen worden. Folglich stehe eine Vergütung aus der Staatskasse nur für Tätigkeiten zu, die zeitlich nach dem Wirksamwerden der Beiordnung lägen. Deshalb sei hier die Verfahrensgebühr nur in Höhe von 216,97 Euro netto angefallen (Mittelgebühr abzgl. 1/3 der Differenz zwischen Mittel- und Mindestgebühr). Zudem wurde die zur Festsetzung beantragte Erledigungsgebühr als nicht entstanden abgesetzt. Insgesamt setzte die Kostenbeamtin statt der beantragten 1.094,68 Euro 638,52 Euro fest.

Hiergegen hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers am 22. Februar 2019 Erinnerung erhoben, der die Urkundsbeamtin des SG nicht abgeholfen hat.

Die Bezirksrevisorin des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern hat mit Schreiben vom 27. Juli 2020 Stellung genommen und unter anderem ausgeführt, gemäß § 48 Abs. 4 RVG erstrecke sich die Beiordnung in Angelegenheiten, in denen nach § 3 Abs. 1 RVG Betragsrahmengebühren entstünden, auf Tätigkeiten ab dem Zeitpunkt der Beantragung des Prozesskostenhilfe, wenn vom Gericht nichts anderes bestimmt werde. Im vorliegenden Fall sei die Prozessbevollmächtigte mit Beschluss vom 13. April 2017 erst ab 25.Juli 2016 in dem seit 4. März 2016 anhängigen Verfahren beigeordnet worden. Zu Recht habe die Kostenbeamtin daher nur die Tätigkeit seit der Beiordnung bei der Bemessung der Gebühren berücksichtigt. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei daher als unterdurchschnittlich einzuschätzen.

Die Pro...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge