Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. gemischte Bedarfsgemeinschaft nach SGB 2. Vorrang von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB 12. Einkommenseinsatz. Freibetrag bei Erwerbstätigkeit. keine Anwendung des § 30 SGB 2. keine Erhöhung nach § 82 Abs 3 S 3 SGB 12 mangels atypischer Umstände. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Einem Anspruch auf ergänzende Grundsicherungsleistungen nach §§ 41ff SGB 12 steht nicht entgegen, dass ein Sozialhilfeempfänger zusammen mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a SGB 2 in einer Bedarfsgemeinschaft gem § 7 Abs 2 S 1 SGB 2 steht. Der Anspruch auf Grundsicherung nach dem 4. Kapitel SGB 12 geht dem Anspruch auf Leistungen nach dem SGB 2 vor (vgl §§ 28 Abs 1 S 1, 7 Abs 4 S 1 SGB 2).

2. Dass der Freibetrag nach § 82 Abs 3 S 1 SGB 12 zu ermitteln ist und nicht, obwohl es um Einkommen eines nach dem SGB 2 leistungsberechtigten Hilfebedürftigen geht, nach der günstigeren Vorschrift des § 30 SGB 2 ist nach der gesetzlichen Regelung nicht zweifelhaft, denn § 43 Abs 1 S 1 SGB 12 verweist ausdrücklich auf eine Bestimmung des überschießenden Einkommens "nach diesem Buch" also dem SGB 12. Bei der geschilderten normativen Lage besteht auch keine Gesetzeslücke, die durch analoge Anwendung von Regelungen aus anderen Gesetzen zu schließen ist.

3. Nach § 82 Abs 3 S 3 SGB 12 kann zwar in begründeten Fällen ein anderer Betrag vom Einkommen abgesetzt werden. Der Anwendungsbereich dieser Ermessensnorm ist von vornherein durch den unbestimmten Rechtsbegriff des "begründeten Falles" eingeschränkt, welcher regelmäßig nur aus den mit der Regelung verfolgten zusätzlichen Motivationszwecken geboren wird.

4. Es ist keine Verletzung von Art 1 Abs 1, 3 Abs 1 GG erkennbar.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 09.06.2011; Aktenzeichen B 8 SO 20/09 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten - auch der Beigeladenen - werden nicht erstattet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger für die Monate Januar und Februar 2008 weitere Grundsicherungsleistungen zu bewilligen hat.

Der im September 1942 geborene Kläger lebt in Hamburg zusammen mit den Beigeladenen zu 1) und 2) (Ehefrau und Sohn). Im streitigen Zeitraum erhielt er eine monatliche Altersrente in Höhe von 425,24 €. Die Beigeladene zu 1) bezog ab Januar 2008 Arbeitsentgelt in Höhe von 1.040 € monatlich brutto bzw. 828,88 € monatlich netto. Darüber hinaus erhielt sie von der Beigeladenen zu 3) (ARGE) Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - ≪SGB II≫, und zwar im Januar in Höhe von 203,14 € und für Februar in Höhe von 197,83 €. Für den Beigeladenen zu 2), der als Schüler außer Kindergeld (154 €) kein Einkommen erzielte, wurden für Januar 2008 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 132,08 € und für Februar 2008 in Höhe von 128,61 € bewilligt. Der monatliche Mietzins der Familienwohnung betrug 685,59 €. Für Hausrat- und Privathaftpflichtversicherung (ausschließlich Glasversicherung) fielen monatlich 14,54 € an, außerdem für die Beigeladene zu 1) berücksichtigungsfähige Fahrtkosten in Höhe von monatlich 80 €.

Mit Bescheid vom 22. Januar 2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag hin Leistungen der Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - ≪SGB XII≫ für den Monat Januar 2008 in Höhe von 16,51 €. Dabei legte sie als Einkommen seine Altersrente (425,24 €), ein anzurechnendes Partnereinkommen von 110,10 €, für Hausrat- und Haftpflichtversicherung 6,23 € plus 8,31 € und als Bedarf ("Misch"-Regelsatz 312 € und anteilige Miete 225,31 €) einen Betrag von 537,31 € zugrunde.

Mit weiterem Bescheid vom 22. Januar 2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger für den Monat Februar 2008 Grundsicherung in Höhe von 25,29 €. Dabei legte sie als Einkommen wiederum seine Altersrente (425,24 €), ein anzurechnendes Partnereinkommen von 101,32 €, für Hausrat- und Haftpflichtversicherung 6,23 € plus 8,31 € und als Bedarf abermals (Regelsatz und anteilige Miete) einen Betrag von 537,31 € zugrunde.

Der Kläger erhob gegen diese Bescheide wie auch gegen den Bewilligungsbescheid betreffend Dezember 2007 Widerspruch: Es gehe nicht an, dass ein großer Teil des der Beigeladenen zu 1) nach dem SGB II zugesprochenen Mehrbedarfsbetrages bei ihm angerechnet werde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2008 veränderte die Beklagte die Bewilligung und wies ansonsten den Widerspruch zurück. Auf den Bescheid (Bl. 18 bis 24 der Prozessakten) wird Bezug genommen.

Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 26. November 2008 zugestellt. Am 23. Dezember 2008 hat er vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben.

Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Beklagte, nachdem die Nichtansetzung von Mieteinnahmen der Beigeladenen zu 1) und die anzurechnende Höhe von deren Fahrtkosten unstreitig gestellt worden war, die Berechnung der dem Kläger zu bewilligenden ...

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