Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattung für eine im Ausland in Anspruch genommene Krankenbehandlung

 

Orientierungssatz

1. Bestehen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und einem ausländischen Staat keine zwischenstaatlichen Vereinbarungen über die Gewährung von Krankenversicherungsleistungen, so setzt die Erstattungsfähigkeit der im Ausland in Anspruch genommenen Krankenbehandlung voraus, dass eine ausreichende und rechtzeitige Behandlung im Inland nicht möglich war.

2. Die Voraussetzungen des § 18 Abs 1 SGB 5 sind auch dann erfüllt, wenn zwar eine grundsätzliche Behandlungsmöglichkeit im Inland zur Verfügung steht, diese aber aufgrund eines beim Versicherten vorliegenden speziellen Krankheitsbildes oder bei einer besonderen Kombination von Krankheiten keinen Erfolg verspricht. Dabei muss es sich um einen außergewöhnlichen Fall handeln.

3. Hierzu müssen allgemeine Erkenntnisse vorliegen, wonach statt einer Inlandsbehandlung eine Behandlung im Ausland notwendig ist und der Versicherte zu dem betroffenen Personenkreis gehört. Über die Zweckmäßigkeit der Therapie muss in der medizinischen Wissenschaft Konsens bestehen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.03.2012; Aktenzeichen B 1 KR 17/11 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. November 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten von in den Jahren 2006 und 2007 am Toten Meer in Jordanien durchgeführten Klimaheiltherapien.

Die 1940 geborene Klägerin ist pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Sie leidet seit 1980 an einer Vitiligo, die seit Anfang der Neunzigerjahre generalisiert mit rascher Progredienz zu einer großflächigen Depigmentierung der Haut führte. In den Jahren 1995 und 2005 führte die Klägerin jeweils auf Kosten der Beklagten Klimaheiltherapien am Toten Meer durch.

Im Februar 2006 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Klimaheiltherapie am Toten Meer in Jordanien vom 24. Mai bis 14. Juni 2006 als stationäre Leistung zur Rehabilitation. Die Maßnahme wird von der in Großbritannien und G. (Deutschland) praktizierenden Dermatologin Prof. Dr. med. K. S. durchgeführt, die hierfür regelmäßig mit einer größeren Gruppe von Patienten in das "Dead Sea M. C./Dead Sea S1 Hotel" fährt. Die Therapie besteht im Wesentlichen aus einer Kombination von topischer Substitutionstherapie mit einer von Prof. Dr. S. selbst entwickelten und nur über sie direkt beziehbaren P.-Creme (PC-KUS) und regelmäßigen Bädern im Toten Meer mit anschließenden Sonnenlichtexpositionen.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Nord (MDK) vom 24. März 2006 ein, in der dieser die Auffassung vertrat, eine ambulante fachärztliche Therapie mit UVB-311-nm-Bestrahlung am Wohnort der Klägerin sei ausreichend. In einer weiteren Stellungnahme vom 17. Mai 2006 teilte der MDK mit, dass die Klimaheiltherapie nach S. vorrangig einen eindimensionalen kurativen Ansatz verfolge, der sich nicht mit einem interdisziplinären multimodalen Ansatz im Sinne der Rehabilitationsrichtlinien in Einklang bringen lasse, sodass die Voraussetzungen für die Durchführung einer erneuten Rehabilitationsmaßnahme nicht gegeben seien. Zu empfehlen sei vielmehr eine UVB-311-nm-Bestrahlung, gegebenenfalls in Verbindung mit der PC-KUS-Creme und einer begleitenden psychotherapeutischen Intervention.

Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 19. Mai 2006 ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, dass die zwischenzeitlich auf eigene Kosten durchgeführte Kurbehandlung erfolgreich gewesen sei, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 10. August 2006 zurück. Hiergegen hat die Klägerin am 11. September 2006 Klage erhoben (S 32 KR 760/06).

Im März 2007 stellte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Gewährung einer Klimaheiltherapie am Toten Meer in Jordanien in der Zeit vom 28. Mai - 18. Juni 2007.

Der MDK kam in zwei weiteren Gutachten vom 24. Mai 2007 und 5. November 2007 erneut zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nicht erfüllt seien, weil die durchgeführten Maßnahmen eindeutig keinen rehabilitativen Charakter hätten, wobei schon der integrative Ansatz einer jährlichen Wiederholung dem Sinn und Verständnis einer Rehabilitation widerspreche. Die Veröffentlichungen von Prof. Dr. S. wiesen zwar darauf hin, dass die Methode wirksam sein könne, entsprechende Studien lägen jedoch bisher nicht vor, sodass ein Wirksamkeitsnachweis nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin bisher nicht erbracht worden sei.

Nachdem die Klägerin die Maßnahme erneut auf eigene Kosten durchgeführt hatte, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 9. November 2007 ab und wies den dagegen erhobenen Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2008 zurück. Hiergegen hat die Klä...

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