Entscheidungsstichwort (Thema)

Bedarfsgemeinschaft. Anrechnung von Einkommen des nichtehelichen Lebenspartners. Bedarf eines Kindes. Aktivlegitimation eines Kindes

 

Leitsatz (amtlich)

  • Leben Kinder mit einem Elternteil und dessen nichtehelichem Partner in einer Bedarfsgemeinschaft, so sind auf den Bedarf der Kinder nur das Einkommen und Vermögen des Elternteils anzurechnen.
  • Im Prozess sind die Kinder aktiv legitimiert.
 

Normenkette

SGB II § 9 Abs. 2 S. 2, § 7 Abs. 3, § 38; SGG § 86b Abs. 2

 

Verfahrensgang

SG Hamburg (Beschluss vom 07.06.2005)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 7. Juni 2005 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Die am 4. Juli 2005 eingegangene Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg (SG) vom 7. Juni 2005, der das SG nicht abgeholfen und die es dem Landessozialgericht (LSG) zur Entscheidung vorgelegt hat, ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz – SGG –), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Antragsgegnerin zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern zu Händen ihrer Mutter M… S… als ihrer gesetzlichen Vertreterin vorläufig monatlich Leistungen in Höhe von 449,10 EUR zu gewähren.

Vorab ist klarzustellen, dass Antragsteller im Sinne des § 86b Abs. 2 SGG und damit Beschwerdegegner in diesem Beschwerdeverfahren allein M1 S… und J… S… sind. Sie allein sind legitimiert, die Ansprüche auf Leistungen zum Lebensunterhalt – Arbeitslosengeld II für M1, geboren am … 1989, und Sozialgeld für J…, geboren am … 1994, – und auf anteilige Kosten der Unterkunft, deren vorläufiger Realisierung dieses Verfahren dient, im eigenen Namen geltend zu machen, denn diese Ansprüche stehen gemäß § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitslose (SGB II) allein ihnen, nicht ihrer vom SG als Antragstellerin angeführten Mutter, zu. Diese macht keine eigenen Ansprüche, sondern als gesetzliche Vertreterin ihrer noch minderjährigen Kinder deren Ansprüche geltend. Da auch die Mitglieder von Bedarfsgemeinschaften eigene, selbständige Ansprüche haben, sind nur sie insoweit aktivlegitimiert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 38 SGB II, der die Vertretung der Bedarfsgemeinschaft durch eine gesetzlich vermutete Bevollmächtigung bestimmt und damit an der Anspruchsinhaberschaft des jeweiligen vertretenen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft eben nichts ändert. Bei verständiger Würdigung ist deshalb anzunehmen, dass (auch) die juristische Konstruktion gewählt werden sollte, welche dem tatsächlichen Begehren am besten entspricht, also die der Vertretung der Antragsteller zu 1 und 2 (vgl. SG Dortmund 22. Kammer, Beschluss vom 5. April 2005, S 22 AS 22/05 ER – Juris) Einstweilige Anordnungen sind zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Der durch den beantragten vorläufigen Rechtsschutz zu sichernde Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Sicherung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen. Dies ist im Falle der Antragsteller geschehen. Der Senat hält die diesbezüglichen Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss für überzeugend und nimmt vollen Umfangs auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG analog). Die Ausführungen der Antragsgegnerin zur Begründung ihrer Beschwerde gegen diesen Beschluss, die im Wesentlichen eine Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen im Verfahren vor dem SG beinhalten, gebieten keine andere Einschätzung des Sachverhalts.

Der Senat teilt nach summarischer Prüfung ebenso wenig wie das SG die Auffassung der Antragsgegnerin, der Anwendungsbereich des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II sei im Wege einer an Sinn und Zweck orientierten Auslegung über seinen Wortlaut hinaus auf den ehegattenähnlichen Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zu erstrecken.

§ 7 Abs. 3 SGB II bestimmt allein die Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft, während die sich daraus ergebenden Folgen hinsichtlich der Hilfebedürftigkeit in § 9 SGB II geregelt werden. Dabei ist es keineswegs so, dass innerhalb der Bedarfsgemeinschaft erzieltes Einkommen und vorhandenes Vermögen generell berücksichtigt wird. Vielmehr gilt dies nur bei den in § 9 Abs. 2 SGB II besonders aufgeführten Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft. Danach ist das Einkommen des nichtehelichen Lebenspartners der Mutter der Antragsteller nicht auf deren Bedarf anzurechnen. Einstandspflichten, wie sie durch die von der Antragsgegnerin gewünschte Analogie zu seinen Lasten in Bezug auf die Antragsteller begründet werden sollen, erfordern eine klare gesetzliche Grundlage. Die Berücksichtigung fremden Einkommens stellte und stellt in der Sozialhilfe wie auch in der Grundsich...

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