Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bedarfsgemeinschaft. Bedarfsdeckung bei minderjährigen Kindern. Einkommensberücksichtigung. Kindergeld. Absetzung von Versicherungspauschalen -Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die minderjährigen Kinder, deren Bedarf durch Unterhaltszahlungen und Kindergeld gedeckt ist, bilden gem § 7 Abs 3 SGB 2 keine Bedarfsgemeinschaft mit dem dem Haushalt angehörenden, erwerbsfähigen Elternteil.

2. Von dem zur Bedarfsdeckung der minderjährigen Kinder nicht benötigten Überschussbetrag des Kindergeldes, der grundsätzlich bei dem Elternteil in Haushaltsgemeinschaft als Einkommen zu berücksichtigen ist, ist nach § 11 Abs 2 Nr 3 SGB 2 iVm § 3 Nr 1 AlgIIV die Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro für den Elternteil selbst, aber zuvor auch pro minderjährigem Kind ungeachtet des tatsächlichen Bestehens entsprechender Versicherungen abzusetzen.

3. Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Regelung des § 11 Abs 1 S 3 SGB 2 und somit gegen die Berücksichtigung des den Bedarf des minderjährigen Kindes übersteigenden Kindergeldes als Einkommen des kindergeldberechtigten Elternteils bestehen nicht (Anschluss an BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 3).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 13.05.2009; Aktenzeichen B 4 AS 39/08 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 11. August 2006 geändert.

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 15. Juni 2005 in der Gestalt des Bescheides vom 11. April 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2006 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 17. Dezember 2005 in der Gestalt des Bescheides vom 11. April 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2006 verurteilt, für die Leistungszeiträume vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2005 sowie vom 1. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2006 bei der Berechnung der Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch für die Klägerin Kindergeld nicht zu berücksichtigen, soweit es den Betrag von monatlich 31,60 Euro übersteigt.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin zwei Drittel ihrer außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung höherer Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Leistungszeiträume vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 und vom 1. Januar 2006 bis 30. Juni 2006.

Die 1964 geborene Klägerin lebt zusammen mit ihren minderjährigen Kindern und, für die sie Kindergeld in Höhe von monatlich 154,- EUR je Kind bezieht. Weiterhin erhält sie von den Kindesvätern Unterhaltsleistungen in monatlicher Höhe von zuletzt 408,- EUR (231,- EUR und 177,- EUR). Über weiteres Einkommen oder einzusetzendes Vermögen verfügten in den hier streitbefangenen Zeiträumen weder die Klägerin noch ihre beiden Töchter.

Mit Bescheid vom 15. Juni 2005 gewährte der Beklagte der Klägerin für das 2. Halbjahr 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 426,58 EUR monatlich. Dabei berücksichtigte er bedarfsmindernd das den sozialhilferechtlichen Bedarf ihrer minderjährigen Kinder (297,20 EUR pro Monat pro Kind) übersteigenden monatlichen Betrag von insgesamt 121,60 EUR an Kindergeldleistungen als Einkommen der Klägerin; das Kindergeld im Übrigen sowie die Unterhaltszahlungen der Väter der Töchter wurden als Einkommen der Kinder zu deren Bedarfsdeckung berücksichtigt. Auf den Widerspruch der Klägerin änderte der Beklagte für den zuvor genannten Leistungszeitraum seinen Bescheid mit Bescheid vom 11. April 2006 dahingehend ab, dass er monatlich Leistungen in Höhe von 456,58 EUR gewährte. Insoweit berücksichtigte der Beklagte bedarfserhöhend eine vom Einkommen in Abzug zu bringende Versicherungspauschale in Höhe von 30,- EUR monatlich zugunsten der Klägerin, die - ebenso wie ihre beiden Töchter - in den hier streitbefangenen Zeiträumen tatsächlich keine Versicherungs-Aufwendungen tätigte. Im Übrigen wies er den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2006 zurück.

Mit weiterem Bescheid vom 17. Dezember 2005 in der Gestalt des auf den Widerspruch der Klägerin ergangenen Bescheides vom 11. April 2006 gewährte der Beklagte für das 1. Halbjahr 2006 entsprechende Leistungen in gleicher Höhe. Auch insoweit wies er den Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2006 zurück.

Die Klägerin hat gegen vorgenannte Bescheide am 18. Mai 2006 Klage zu dem Sozialgericht Neuruppin erhoben, mit der sie die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ohne Berücksichtigung gezahlten Kindergeldes und etwaigen weiteren Einkommens ihrer minderjährigen Kinder begehrt hat. Mit Urteil vom 11. August 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Der Klägerin stünden keine höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu. Der Beklagte habe zu Recht das Kindergeld, soweit es zur Bedarfsdeckun...

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