Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsanspruch einer landwirtschaftlicher Berufsgenossenschaft gem § 175 SGB 7. Anwendbarkeit der Ausschlussregelung gem § 111 SGB 10 im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung

 

Orientierungssatz

1. Der Erstattungsanspruch einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft gem § 175 SGB 7 gegenüber der für die hauptberufliche Tätigkeit zuständigen BG ist ausgeschlossen, wenn er nicht innerhalb der Frist des § 111 SGB 10 geltend gemacht wurde.

2. Es gilt der Grundsatz, dass die §§ 102ff SGB 10 über § 37 SGB 1 auch im SGB 7 Geltung haben, soweit dort nichts anderes geregelt ist.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.925,72 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Erstattungsanspruchs nach § 175 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) um die Anwendbarkeit der Ausschlussfrist des § 111 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Herr R geboren 1962, erlitt am 04. Mai 2007 im landwirtschaftlichen Unternehmen seines Vaters als mithelfender Familienangehöriger einen Unfall, den die Klägerin mit Bescheid vom 04. November 2008 als Versicherungsfall anerkannte. Im Haupterwerb war Herr R als Pförtner bei der Polizeidirektion S tätig, was der Klägerin seit dem 01. Juni 2007 bekannt war.

Mit Schreiben vom 17. September 2008, bei der Beklagten am 22. September 2008 eingegangen, teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass die Voraussetzungen für einen Lastenausgleich nach § 175 SGB VII vorlägen, und bat um Mitteilung, ob die Beklagte zum Lastenausgleich bereit sei. Die Beklagte bejahte die Frage dem Grunde nach, sie prüfe jedoch, ob eine Erstattung der Aufwendungen nach § 111 SGB X für die Zeit vor dem 22. September 2007 (Eingang der Anmeldung des Erstattungsanspruchs der Klägerin) ausgeschlossen sei (Schreiben vom 07. Oktober 2008).

Die Klägerin machte mit drei Schreiben vom 10. November 2008 Erstattungsansprüche wegen Mehraufwendungen für das an Herrn R in der Zeit vom 14. Mai bis zum 16. September 2007 und vom 04. März bis zum 13. April 2008 kalendertäglich gezahlte Verletztengeld (VG) zuzüglich der Sozialversicherungsbeiträge (SV-Beiträge) und Verwaltungskosten sowie für die in der Zeit vom 17. September 2007 bis zum 16. Juli 2008 gezahlte Verletztenrente (VR) geltend. Die Beklagte kürzte den geltend gemachten Betrag auf 2.896,50 € mit der Begründung, der Erstattungsanspruch nach § 175 SGB VII für die vor dem 22. September 2007 erbrachten Aufwendungen sei nach § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen (Schreiben vom 20. November 2008). Die Klägerin bestand weiterhin auf einer Erstattung der Mehraufwendungen für Leistungen vor dem 22. September 2007 in Höhe von insgesamt 5.925,72 € mit der Begründung, dass § 111 SGB X auf den eigenständigen Erstattungsanspruch nach § 175 SGB VII keine Anwendung finde. Eine Einigung über ihre unterschiedlichen Rechtsauffassungen gelang den Beteiligten nicht (Schreiben der Klägerin vom 08. und 16. Dezember 2008, 14. Januar und 30. November 2009, Schreiben der Beklagten vom 06. Januar und 03. Dezember 2009).

Am 28. Januar 2010 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht (SG) Frankfurt (Oder) Klage erhoben und vorgetragen, die Regelung des § 111 SGB X finde auf den Erstattungsanspruch des § 175 SGB VII keine Anwendung. Zwar zeige die zu § 111 SGB X ergangene Rechtsprechung, dass diese Regelung nicht nur auf die Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff. SGB X Anwendung finde. Jedoch habe das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass § 111 SGB X z. B. für Erstattungsansprüche nach §§ 19, 21 Bundesversorgungsgesetz (BVG) keine Anwendung finde (Urteile vom 31. Mai 1989 - 9/9a RV 12/87 - und vom 06. März 1990 - 9a RV 10/90 -). Hiernach sei die Anwendbarkeit des § 111 SGB X zu verneinen, wenn ein geschlossenes Regelwerk vorliege oder wenn es sich um einen Anspruch anderer Art als nach §§ 102 ff. SGB X handele. Dies sei bei der Erstattungsnorm des § 175 SGB VII der Fall. Die Erstattungsansprüche der §§ 102 ff. SGB X setzten voraus, dass letztendlich ein unzuständiger Leistungsträger geleistet habe. Der Gesetzgeber habe jedoch mit der Regelung des § 175 SGB VII den Sozialversicherungsträgern untereinander einen originären Lastenausgleichsanspruch aus ordnungspolitischen Gründen eingeräumt. Hier gehe es nicht darum, dass ein Leistungsträger zu Unrecht geleistet habe, sondern die zu Recht erbrachten Aufwendungen würden “auf mehrere Schultern„ verteilt. Somit sei die Ausrichtung und damit der Zweck des Erstattungsanspruchs in § 175 SGB VII ein anderer als in §§ 102 ff. SGB X. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 37 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Auch wenn § 111 SGB X in der Regelung des § 175 SGB VII nicht genannt werde, bedeute dies nicht automatisch, dass die §§ 102 ff. SGB X generell ergänzend heranzuziehen seien. Sogenannte abweichende Regelungen im S...

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