Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Tätigkeitswechsel. selbstständige sozialversicherungsfreie Tätigkeit im Bemessungszeitraum. unselbstständige sozialversicherungspflichtige Tätigkeit im Bezugszeitraum. keine pauschalen Abzüge für Sozialabgaben bei der Berechnung des Bezugseinkommens. Verfassungsrecht. Gleichheitssatz

 

Leitsatz (amtlich)

Ändert sich ein Abzugsmerkmal für Sozialabgaben nach Ablauf des Bemessungszeitraums, ist es so zu berücksichtigen, wie es in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums gegolten hat. Abzüge für Sozialabgaben sind demnach auch im Bezugszeitraum nicht vorzunehmen, wenn im Bemessungszeitraum insoweit nichts abzuziehen gewesen ist.

 

Orientierungssatz

1. Der Wechsel von Abzugsmerkmalen zwischen Bemessungs- und Bezugszeitraum folgt denselben Regeln wie der Wechsel von Abzugsmerkmalen (nur) im Bemessungszeitraum.

2. Diese Rechtsanwendung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 GG, sondern wirkt gerade einer ungerechtfertigten Besserstellung von Elterngeldbeziehern, die von einer selbstständigen in eine unselbstständige Tätigkeit wechseln, entgegen.

 

Normenkette

BEEG § 1 Fassung: 2012-09-10, § 2 Abs. 1 S. 3 Fassung: 2012-09-10, Abs. 2 S. 2 Fassung: 2012-09-10, Abs. 3 S. 1 Fassung: 2012-09-10, § 2a Fassung: 2012-09-10, § 2b Abs. 2 S. 1 Fassung: 2012-09-10, Abs. 3 Fassung: 2012-09-10, § 2c Abs. 1 Fassung: 2012-09-10, Abs. 3 S. 1 Fassung: 2012-09-10, S. 2 Fassung: 2012-09-10, § 2d Abs. 2 S. 1 Fassung: 2012-09-10, Abs. 4 S. 2 Fassung: 2012-09-10, § 2f Abs. 1 Fassung: 2012-09-10; SGB I §§ 6, 25 Abs. 2 S. 2, § 68 Nr. 15a; EStG § 2 Abs. 1 S. 1; SGB X § 39 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1; SGG § 96

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Dezember 2016 - S 2 EG 33/14 - wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der 1961 geborene, vor der Geburt des Kindes selbständige Kläger begehrt höheres Elterngeld unter Berücksichtigung von Abzügen für Sozialabgaben beim Einkommen, die er nach der Geburt seines Kindes entrichtet hat.

Der Kläger ist Vater der am 2013 geborenen E P B (nachfolgend: Kind). Er lebte mit ihr und der Mutter des Kindes, M Q, in einem Haushalt in B. Er arbeitete bis zum 31. Juli 2013 als selbständiger Möbelhändler und -designer, meldete danach das Gewerbe ab und arbeitete ab dem 1. August 2013 in Vollzeit für die n n T GmbH in D. Ab den 29. September 2013 nahm er Erziehungsurlaub und reduzierte seine Arbeitszeit auf 12 Wochenstunden. Er verdiente im September 2013 3.866,75 Euro (davon 57,15 Euro in der Elternzeit) und im Oktober 2013 1.200,16 Euro. Im Jahr 2012 hatte er 40.056,00 Euro Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Einkommenssteuerbescheid 2012).

Der Kläger beantragte am 8. November 2013 Elterngeld vom 1. bis 14. Lebensmonat des Kindes mit Ausnahme des 3. und 7. Lebensmonats.

Der Beklagte gewährte daraufhin mit Bescheid vom 12. November 2013 vorläufig monatlich 1.066,33 Euro Elterngeld für die Zeit vom 29. September 2013 bis 28. November 2013, vom 29. Dezember 2013 bis 28. März 2014 und vom 29. April 2014 bis 28. November 2014. Der Kläger widersprach. Von seinem Einkommen nach dem 1. August 2013 seien die Sozialversicherungspauschalen abzuziehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Weil der Kläger während des Bemessungszeitraums, also vor der Geburt, nicht sozialversicherungspflichtig gewesen sei, seien die entsprechenden Pauschalen auch im Bezugszeitraum (nach der Geburt) nicht abzuziehen. Dies ergebe sich aus § 2f des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG).

Der Kläger verdiente im November 2013 1.335,18 Euro (davon 1.144,77 Euro in der Elternzeit), im Dezember 2013 3.746,35 Euro (davon 108,94 Euro in der Elternzeit) sowie im Januar und Februar 2014 jeweils 1.200,00 Euro. Der Kläger hat im März 2014 1.335,18 Euro (davon 1.144,77 Euro in der Elternzeit), im April 2014 3.746,35 Euro (davon 108,94 Euro in der Elternzeit) und von Mai 2014 bis November 2014 monatlich 1.200,00 Euro verdient.

Der Beklagte bewilligte sodann mit Bescheid vom 23. November 2016 endgültig monatlich 1.062,55 Euro Elterngeld für die Zeit vom 29. September 2013 bis 28. November 2013, 29. Dezember 2013 bis 28. März 2014 und vom 29. April 2014 bis 28. November 2014. Gleichzeitig forderte er 45,36 Euro vorläufig gezahltes Elterngeld zurück.

Der Kläger hat bereits zuvor am 22. April 2014, dem Dienstag nach Ostern, nach Zustellung des Widerspruchsbescheids am 18. März 2014 zu dem Sozialgericht (SG) Berlin Klage erhoben. Der Beklagte habe das Einkommen im Bezugszeitraum falsch berechnet. Er habe die Sozialversicherungsbeiträge nicht abgezogen. Der Kläger sei zwar im Bemessungszeitraum nicht sozialversicherungspflichtig gewesen, im Bezugszeitraum aber schon. Die Verhältnisse im Bemessungszeitraum seien nicht für den späteren Bezugs...

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