Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattung für Kryokonservierung. Lagerung von Eierstockgewebe wegen einer drohenden Empfängnisunfähigkeit als Folge einer Chemotherapie

 

Orientierungssatz

Die Lagerung von Eierstockgewebe durch Kryokonservierung wegen einer drohenden Empfängnisunfähigkeit als Folge einer Chemotherapie fällt nicht unter die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nach den §§ 27 Abs 1 sowie 27a Abs 1 SGB 5.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.02.2010; Aktenzeichen B 1 KR 10/09 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für die Lagerung von Eierstockgewebe durch Kryokonservierung.

Sie ist 1980 geboren und Mitglied bei der Beklagten. Sie leidet an einem Mammakarzinom, aufgrund dessen sie sich begleitender Chemotherapien zu unterziehen hat. Als Begleiterscheinung führt die Chemotherapie mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Unfruchtbarkeit, auch wenn im Rahmen der Therapie versucht wird, das Risiko zu verringern. Durch die Kryokonservierung soll der zu erwartende Verlust der Empfängnisfähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt funktionell ersetzt werden. Sie fügte dazu eine ärztliche Bescheinigung des Dr. M B vom "Kinderwunschzentrum an der Gedächtniskirche" bei. Mit Bescheid vom gleichen Tag lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für das Einfrieren, Lagern und/oder Auftauen der Eizellen bzw. des Eierstockgewebes ab, da die Kryokonservierung eine nach den Richtlinien über die künstliche Befruchtung ausgeschlossene Maßnahme darstelle. Die Kosten für die ärztliche Behandlung zur Gewebeentnahme würden durch das Krankenhaus mit ihr als Krankenkasse direkt abgerechnet.

Die Klägerin erhob Widerspruch und wies u.a. auf den psychischen Druck hin, dem sie vor Beginn der Chemotherapie dadurch ausgesetzt sei, dass sie zu 90 % mit steigender Tendenz nach der Chemotherapie keine eigene Kinder mehr bekommen könne, wie sich dies aus der ärztlichen Bescheinigung ergebe. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Kryokonservierung sei von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nach den §§ 27, 27 a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht erfasst. Gemäß Nr. 4 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über ärztliche Maßnahmen zu künstlichen Befruchtungen seien Maßnahmen solche Leistungen nicht erfasst, die über die eigentliche künstliche Befruchtung hinaus gingen wie etwa die Kryokonservierung von Samenzellen, imprägnierten Eizellen oder noch nicht transferierten Embryonen.

Hiergegen hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben und ausgeführt, dass es sich bei der Kryokonservierung um eine Krankenbehandlung nach § 27 SGB V handele, nämlich konkret zur Herstellung bzw. Beibehaltung der Empfängnisfähigkeit. Auch müsste die Maßnahme im Zusammenhang mit der erfolgreichen und notwendigen Behandlung des Mamakarzinoms aus medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkten gesehen werden. Die Klageschrift vom 3. März 2007 - eingegangen am 7. März 2007 - ist nicht unterschrieben. Das SG hat die Klägerin vorsorglich gebeten, eine handschriftlich unterschriebene Klageschrift nachzureichen. Es hat sie dann mit Verfügung vom 18. Mai 2005 daraufhin gewiesen, dass die Kryokonservierung nach der sozialgerichtlichen Rechtssprechung (u.a. Hinweis auf Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 22. März 2005 - B 1 KR 11/03 R -) nicht von der die künstliche Befruchtung regelnden Vorschrift des § 27 a SGB V umfasst sei und es sich auch nicht um eine Leistung nach § 27 SGB V zur Wiederherstellung der Zeugungs- bzw. Empfängnisfähigkeit handele.

Mit Gerichtsbescheid vom 26. Oktober 2007 hat es die Klage als unbegründet abgewiesen. Die fehlende Unterschrift unter die Klageschrift sei unerheblich, da es sich beim Unterschriftserfordernis nach § 92 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - nur um eine Sollvorschrift handele und hier der Adressat erkennbar gewesen sei und auch keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Klage entgegen dem Willen der Klägerin eingereicht worden sei. Die Klage sei unbegründet, da sich ein Anspruch weder aus § 27 Abs. 1 SGB V noch aus § 27 a Abs. 1 Satz 1 SGB V ergebe. Es handele sich insbesondere auch nicht unter psychosozialen Gesichtspunkten um die Behandlung der Krebserkrankung bzw. des möglichen Verlusts der Empfängnisfähigkeit. Denn die Kryokonservierung setze nicht unmittelbar an der eigentlichen Krankheit an. Bei psychischen Störungen beschränke sich der Behandlungsanspruch auf Mittel der Psychiatrie und der Psychotherapie (Bezugnahme auf BSGE 82, 158, 164).

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Kryokonservierung diene der Linderung der Krankheitsfolgen der Karzinombekämpfung. Es handele sich aber auch um ein Anspruch aus § 27 a SGB V. Ohne Kryokonservierung könne nämlich nie später eine künstliche Befruchtung nach den ...

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