Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Kindergeld. Zuordnung des überschießenden Kindergeldanteils zum Elterneinkommen. keine Begrenzung des anzurechnenden Kindergeldanteils auf die Hälfte des Kindergelds. verfassungskonforme Auslegung. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 14 AS 42/17 R

 

Orientierungssatz

Der den Bedarf des unterhaltsberechtigten Kindes überschießende Kindergeldanteil (Kindergeldüberhang) ist trotz der unterhaltsrechtlichen Regelung des § 1612b Abs 1 BGB in voller Höhe gem §§ 11 ff SGB 2 als Einkommen des kindergeldberechtigten Elternteils zu berücksichtigen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.03.2019; Aktenzeichen B 14 AS 42/17 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren

nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt im Wege eines Überprüfungsverfahrens (= Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) - nach einem Vergleich der Beteiligten im Termin vor dem Senat für März 2008 bis April 2008, Juni 2008 bis Juli 2008, Januar 2009 bis Mai 2009, September 2009 (ab dem 03. September) und November 2009 bis August 2010 und einem in diesem Termin angenommen Teilanerkenntnis für Mai 2008 - nur (noch) höheres Arbeitslosengeld II (ohne Leistungen für Unterkunft und Heizung) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für Mai 2008 von mehr als 326,49 EUR (322,61 EUR + 03,88 EUR); zwischen den Beteiligten ist (vorrangig) streitig, ob der Beklagte berechtigt war, als Einkommen der Klägerin das für ihre Tochter bezogene Kindergeld in einem die Hälfte dieser Leistung übersteigenden Umfang abzüglich der Versicherungspauschale zu berücksichtigen.

Die 1963 geborene, ledige deutsche Klägerin ist Diplomdesignerin (FH) und war während der oben genannten Zeiträume - abgesehen von den Monaten März 2008 bis Juli 2008 und Januar 2009 bis Mai 2009 - in ihrem Beruf selbständig tätig. Auch in dem jetzt allein noch streitigen Monat Mai 2008 lebte sie zusammen mit ihrer 1996 geborenen, deutschen Tochter N (im Folgenden Tochter), die sie allein erzog, in einer ca 74 m² großen Zweizimmerwohnung unter der im Rubrum genannten Adresse. Die beiden Zimmer wurden während des streitigen Zeitraums mit Kohle, die Küche mit Gas beheizt. Die Warmwasseraufbereitung erfolgte dezentral mittels eines mit Strom betriebenen Durchlauferhitzers. Die mit Kohle zu beheizende Wohnfläche betrug ca 60 m². Für diese Wohnung hatte die Klägerin im Mai 2008 eine Bruttokaltmiete in Höhe von monatlich 247,97 EUR (Nettokaltmiete 204,26 EUR und kalte Betriebskostenvorauszahlung 71,26 EUR = 275,52 EUR abzüglich 10 % Mietminderung) zu zahlen. An die GASAG (im Folgenden: Gasversorger) war für diesen Monat ein Abschlag in Höhe von 19,00 EUR zu entrichten; Aufwendungen für die Kohleheizung hatte die Klägerin im Mai 2008 nicht.

Die Klägerin bezog im Mai 2008, in dem sie weder über zu berücksichtigendes Vermögen noch über sonstiges Einkommen verfügte, für ihre Tochter Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR und in den Monaten September 2009 und Oktober 2009 bis Dezember 2009 in Höhe von monatlich 164,00 EUR sowie in den Monaten Januar 2010 bis August 2010 in Höhe von monatlich 184,00 EUR. Während dieses Zeiträume zahlte der Vater ihrer Tochter Unterhalt, und zwar zunächst für Mai 2008 in Höhe von 310,00 EUR, für September 2009 und für Oktober 2009 bis Dezember 2009 in Höhe von monatlich 401,00 EUR und für Januar 2010 bis August 2010 in Höhe von monatlich 454,00 EUR, wobei der unterhaltsrechtliche Bedarf der Tochter jeweils unter Abzug der Hälfte des für sie von der Klägerin bezogenen Kindergeldes berechnet worden war.

Auf ihren im November 2007 für die Zeit ab Dezember 2007 gestellten Antrag bewilligte der Rechtsvorgänger des Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagter) der Klägerin vorläufig Arbeitslosengeld II für Dezember 2007 bis Mai 2008 in Höhe von monatlich 213,17 EUR (Bescheid vom 15. November 2007). Nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, ab Februar 2008 keine selbständige Tätigkeit mehr auszuüben und demgemäß ab diesem Monat keine Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit mehr zu erzielen, änderte der Beklagte diese Bewilligung dahingehend ab, dass er der Klägerin nunmehr Arbeitslosengeld II ua für März 2008 in Höhe von 373,97 EUR und für April 2008 bis Mai 2008 in Höhe von monatlich 416,95 EUR bewilligte (Änderungsbescheid vom 25. März 2008), wobei dieser Änderungsbescheid keine Vorläufigkeitsbestimmung mehr enthielt. Nach mehrfachen Änderungen der Anspruchshöhe für Mai 2008 (Änderungsbescheide vom 11. April 2008, 07. August 2008 und 07. November 2008) änderte der Beklagte schließlich die endgültige Bewilligung von Arbeitslosengeld II für März 2008 bis Mai 2008 erneut ab und bewilligte der Klägerin für diesen Zeitraum endgültig höhere Leistungen als mit jeder vorangegangenen Bewilligung für diesen Zeitraum (erster Änderungsbescheid vom 27. November 2009), und zwar für Mai 2008 als Arbei...

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