Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattungsanspruch für Krankenbehandlung. Sachleistungsaushilfe. vorübergehender Auslandsaufenthalt. Tunesien. Notfallbehandlung außerhalb der vorgesehenen Sachleistungshilfe

 

Orientierungssatz

1. Für in Deutschland wohnende Versicherte mit deutscher oder tunesischer Staatsangehörigkeit, die sich in Tunesien aufhalten, wird der gewöhnliche Aufenthalt und in bestimmten Fällen auch der vorübergehende im Ausland (Tunesien) dem Aufenthalt im Inland (Deutschland) gleichgestellt, so dass der Leistungsanspruch gegen die Krankenkasse nicht nach § 16 Abs 1 Nr 1 SGB 5 ruht (vgl BSG vom 30.3.2000 - B 3 KR 19/99 R = BSGE 86, 86 = SozR 3-6855 Art 10d Nr 1).

2. Aus Art 15 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik über Soziale Sicherheit vom 16.4.1984 ergibt sich nicht, dass ein Anspruch nur besteht, wenn und soweit es sich bei der erbrachten Leistung auch um eine nach tunesischem Recht als Sachleistung zu erbringende Leistung handelt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.05.2007; Aktenzeichen B 1 KR 18/06 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die gesamten Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welchem Umfang die Beklagte dem Kläger die in Tunesien entstandenen Kosten einer Krankenbehandlung zu erstatten hat.

Der im Jahre 1960 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Er reiste am 5. Januar 1999 in familiären Angelegenheiten nach Tunesien und verunglückte dort am Tage seiner Ankunft. Dabei zog er sich ein schwerwiegendes Schädel-Hirn-Trauma zu und befand sich über 12 Tage im Koma. Nach einem Arztbericht des Prof. Dr. K vom 2. Februar 1999 wurde er zunächst in das staatliche Krankenhaus der Stadt Grombalia eingeliefert und sodann von dort an die neurochirurgische Poliklinik T AG/Tunis überwiesen, da es im staatlichen Krankenhaus keine entsprechende Fachabteilung gegeben habe. In der Poliklinik T entstanden für die Behandlung vom 5. Januar 1999 bis zum 25. Januar 1999 für stationäre Patientenunterbringung sowie weitere Leistungen (vor allem Patientenbegleitung, Operationssaal, Laboruntersuchungen, Röntgenaufnahmen, Reanimation, Rehabilitation, Arzneimittel, Notaufnahme und diverse Intensivbehandlungen) Gesamtkosten in Höhe von 7.036,07 tunesische Dinar. Für die ärztliche Behandlung während dieser Zeit entstanden für den Arzt Dr. H Kosten in Höhe von 520,00 tunesische Dinar, für 2 chirurgische Eingriffe und für die fachärztliche stationäre Behandlung durch den Facharzt für Neurochirurgie Prof. Dr. K Kosten in Höhe von 2.300,00 tunesische Dinar und für die Behandlung durch den Arzt für Anästhesie und Reanimation Dr. D Kosten in Höhe von 1.000,00 tunesische Dinar. Für eine computertomografische Untersuchung entstanden schließlich Kosten in Höhe von 140,00 tunesische Dinar. Diese Gesamtkosten in Höhe von 10.996,07 tunesischen Dinar zahlte der Kläger und machte am 30. April 1999 die Erstattung dieser Kosten in Höhe von umgerechnet 17.206,65 DM bei der Beklagten geltend. Nach Mitteilung der Caisse Nationale de Sécurité Sociale (CNSS) in Tunis an die Beklagte wären bei abkommensgemäßer Abwicklung im Wege der Sachleistung 600,00 Dinar für ärztliche Behandlung, 1.419,39 Dinar für Arzneimittel, 1.273,33 Dinar für stationäre Behandlung und 2.227,08 Dinar sonstige Kosten entstanden. Diese Gesamtkosten in Höhe von umgerechnet 8.637,40 DM erstattete die Beklagte mit Bescheid vom 5. August 1999.

Hiergegen wandte sich der Kläger und machte geltend, es seien die privatärztlich entstandenen Kosten zu erstatten, da es keine andere Möglichkeit der Behandlung in Tunesien gegeben habe. Daneben machte er die Kosten für den Rückflug sowie die entstandenen Kosten für die Übersetzung der Rechnungen geltend. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2000 zurück. Abweichend von dem Grundsatz in § 16 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bestehe zwar aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik über soziale Sicherheit ein Anspruch auf Leistungen auch bei einem Aufenthalt in Tunesien. Trete dort eine Erkrankung ein, könnten jedoch nur die wegen des Gesundheitszustandes unverzüglich erforderlichen Sachleistungen in Anspruch genommen werden. Die ärztliche Behandlung könne entsprechend dem tunesischen Recht nur in einem staatlichen Ambulatorium, Dispensarium oder Krankenhaus bzw. in einer Ambulanz der Polikliniken der CNSS zur Verfügung gestellt werden. Die ärztliche Behandlung durch einen Privatarzt außerhalb der staatlichen Einrichtungen gehöre nicht zur Leistungspflicht der CNSS. Diese Leistungen könnten mithin auch nicht von den Versicherten deutscher Krankenkassen im Rahmen des Abkommens beansprucht werden. Könnten während des vorübergehenden Aufenthalts in Tunesien die Sachleistungen durch den tunesischen aushelfenden Träger nic...

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