Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten bei reinen Wohngemeinschaften

 

Leitsatz (amtlich)

1. Während es sich im Fall einer Haushaltsgemeinschaft zwischen Familienmitgliedern um eine typische einheitliche Lebenssituation handelt, die eine andere Aufteilung der Aufwendungen für diese Wohnung als nach Kopfteilen nicht zulässt, sind in reinen Wohngemeinschaften auf der Grundlage von wirksamen Untermietverträgen die zivilrechtlich wirksam vereinbarten Wohnkosten als tatsächlich angefallene Wohnkosten iS des § 22 Abs 1 SGB 2 anzusehen.

2. Die Bereitschaft des Hilfebedürftigen, sich mit Dritten eine Wohnung zu teilen, ist nicht als Besonderheit des Einzelfalles anzusehen, die zu einer vom Regelfall abweichenden Bestimmung der maßgeblichen Wohnungsgröße führt. Ein Abschlag für die maßgebliche Wohnungsgröße (vgl dazu BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 3 RdNr 17 ff) - sei er pauschal oder konkret durch die nur hälftige Anrechnung gemeinsam genutzter Wohnflächen berechnet - ist auch vor dem Hintergrund, dass die Nebenflächen (Küche, Bad, Flur, Stauraum) und ggf ein Wohnraum in Mehrpersonenhaushalten gemeinsam genutzt werden, nicht vorzunehmen.

 

Orientierungssatz

Zur Angemessenheitsgrenze für die Unterkunftskosten nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 für einen 1-Personen-Haushalt in Berlin.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2006 wird aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 25. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2006 und der Bescheid vom 26. Juni 2006 werden geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger weitere 600,36 Euro für im Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 angefallene Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der vom Beklagten zu zahlenden angemessenen Kosten der Unterkunft in der Zeit vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006.

Der 1972 geborene, erwerbsfähige und hilfebedürftige Kläger erhält seit dem 1. Januar 2005 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Er lebte bis zum 30. November 2005 in einer Mietwohnung in B, für die Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 248,- Euro aufzubringen waren. Er schloss am 10. Oktober 2005 zum 1. November 2005 mit dem Hauptmieter einer 57,20 qm großen, teilmöblierten 3-Zimmer-Wohnung in der JStr., B einen Untermietvertrag über ein Zimmer sowie die Mitbenutzung von Küche, Bad und Wohnzimmer, ohne dass eine Zusicherung des bis dahin für die Leistungserbringung örtlich zuständigen Trägers der Grundsicherung zu den Aufwendungen für diese Unterkunft vorlag. Der vereinbarte monatliche Nettomietzins betrug 250,- Euro, daneben war eine Heizkostenpauschale in Höhe von 40,- Euro, eine Stromkostenpauschale in Höhe von 25,- Euro, eine Pauschale für Radio/TV in Höhe von 15,- Euro und eine Pauschale für Entsorgungsgebühren in Höhe von 25,- Euro vereinbart. Nach dem Hauptmietvertrag vom 29. November 2005 (mit dem der Hauptmieter, der die Wohnung bereits zuvor tatsächlich bewohnt hatte, in das zwischen seinen Eltern und dem Vermieter bestehende Mietverhältnis eingetreten war) schuldete der Hauptmieter dem Vermieter eine Nettokaltmiete in Höhe von 238,52 Euro monatlich, daneben eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 92,19 Euro und eine Vorauszahlung für Heizung und Warmwasser in Höhe von 61,36 Euro monatlich. Die Untervermietung genehmigte der Vermieter mit Schreiben vom 8. Dezember 2005 unter der Voraussetzung, dass der Hauptmieter weiterhin den überwiegenden Teil der Wohnung ständig selbst nutze, und erhob dafür einen monatlichen Untermietzuschlag in Höhe von 2,50 Euro. Jedenfalls zum 1. Dezember 2005 zog der Kläger in die Wohnung ein und lebte im streitigen Zeitraum dort ohne weitere Angehörige. Das Umgangsrecht mit seinen beiden 1999 geborenen, in G lebenden Kindern, das Wochenendaufenthalte der Kinder bei ihm umfasste, hat er erst vom 1. Juli 2006 an tatsächlich ausgeübt. Das Untermietverhältnis dauerte bis zum 31. Oktober 2006.

Auf seinen Antrag vom 10. November 2005 bewilligte der mit dem Umzug örtlich zuständig gewordene Beklagte mit Bescheid vom 25. November 2005 zunächst für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 536,53 Euro und berücksichtigte dabei Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 191,53 Euro monatlich, mithin die Hälfte der aus dem Hauptmietvertrag entstandenen Kosten. Der Widerspruch wegen der Höhe der Kosten der Unterkunft blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2006).

Mit seiner beim Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die anzuerkennenden Kosten für Unterkunft und Heizung betrügen 315,- Euro monatlich, so dass monatlich weitere 123,47 Euro zu zahlen seien. Lediglich die Pauschale für Strom und di...

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