Entscheidungsstichwort (Thema)

Migrationshintergrund reicht nicht zur Einordnung als sozial benachteiligter Ausbildungssuchender

 

Orientierungssatz

1. Allein das Vorliegen eines Migrationshintergrundes reicht für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals “sozial benachteiligt„ im Sinne von § 421r Abs 1 S 2 Nr 2 SGB III (juris: SGB 3) nicht aus.

2. Eine soziale Benachteiligung kann sich vielmehr nur bei konkreter Betrachtung des persönlichen Umfelds oder persönlicher Merkmale des Ausbildungssuchenden ergeben, die den Schluss zulässt, dass der betroffene Ausbildungssuchende im Vergleich zu anderen Ausbildungssuchenden erheblich größere Schwierigkeiten bei der Ausbildungsplatzsuche und/oder der Bewältigung der Ausbildung haben wird.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. August 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung eines Ausbildungsbonus (AB) für die Einstellung des von ihr zum Bürokaufmann ausgebildeten P S (S.).

Der 1987 in J als Sohn einer deutschen Mutter und eines indonesischen Vaters geborene S. wuchs zunächst in Indonesien auf. Er siedelte um die Jahrtausendwende mit seinen Eltern, die sich später trennten, nach Deutschland über. S. ist mit einer Russin jüdischer Herkunft verlobt, mit der er ein inzwischen drei Jahre altes Kind hat. Von September 2001 bis Juni 2005 besuchte er erfolgreich die O-Oberschule - Realschule mit musischem Schwerpunkt -, wobei er mit Abschluss der Klasse 10 die Zugangsberechtigung für die gymnasiale Oberstufe erwarb. Auf das Abschlusszeugnis vom 22. Juni 2005 wird Bezug genommen. Eine Ausbildung zum Bürokaufmann im Betrieb des eine Schank- und Speisewirtschaft sowie Catering betreibenden K S brach er nach 15 Monaten ab, weil er die Ausbildungsqualität in diesem Betrieb für mangelhaft hielt. S. schloss am 26. Mai 2009 einen Berufsausbildungsvertrag mit der Klägerin, der eine Ausbildung zum Bürokaufmann unter Anrechnung (15 Monate) der vorherigen Ausbildung vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Januar 2011 vorsah. Es wurde eine monatliche Vergütung von 584,- € brutto im 1. Ausbildungsjahr vereinbart.

Am 6. Juli 2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, ihr für die Einstellung des S. einen Ausbildungsbonus gemäß § 421r Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) zu gewähren. Mit Bescheid vom 1. Oktober 2009 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab und führte aus: S. sei nicht gemäß § 421r Abs. 1 SGB III förderungsbedürftig gewesen. Förderungsbedürftig seien Auszubildende bei einem Wechsel des Ausbildungsbetriebes nur dann, wenn - was hier nicht der Fall sei - die Ausbildung wegen Insolvenz, Stilllegung oder Schließung des ausbildenden Betriebes vorzeitig beendet worden sei. Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch trug die Klägerin vor: S. habe bei seiner vorherigen Ausbildung schwerpunktmäßig ausbildungsfremde Tätigkeiten (Kuchen verkaufen, Brötchen schmieren, etc.) verrichten müssen. Im Unterschied hierzu biete sie eine äußerst qualifizierte Ausbildung an. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2009 zurück.

Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen: S. habe die Ausbildung bei dem vorherigen Ausbilder vorzeitig beendet, weil er dort keine Ausbildung als Bürokaufmann erhalten habe. Sein praktischer Ausbildungsstand sei bei Übernahme der Ausbildung durch die Klägerin mit Null zu bewerten gewesen. Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage mit Urteil vom 27. August 2010 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Im Hinblick auf den Ausbildungsbeginn bei der Klägerin vom 1. Juli 2009 sei § 412r SGB III in der bis zum 21. Juli 2009 geltenden Fassung anwendbar. Danach sei ein AB als Pflichtleistung zu gewähren, wenn ein besonders förderungsbedürftiger Jugendlicher zusätzlich ausgebildet werde. Es könne offen bleiben, ob S. besonders förderungsbedürftig gewesen sei, da die Förderung darauf abziele, einen Betrieb zu unterstützen, der einen Jugendlichen ausbilde, der Schwierigkeiten hatte, einen Ausbildungsbetrieb zu finden. Hier liege der Fall aber so, dass sich S. bereits in einem Ausbildungsverhältnis befunden habe, das er mangels Qualität der Ausbildung verlassen habe. Als Ermessensleistung könne der AB gewährt werden, wenn die Ausbildung wegen Betriebsschließung, Insolvenz oder durch Stilllegung vorzeitig beendet worden sei und die Vermittlung des Auszubildenden in ein fortführendes Ausbildungsverhältnis wegen Umständen in der Person des Auszubildenden erschwert sei. Mängel der Ausbildung im Vorgängerbetrieb könnten auch bei großzügigster Gesetzesauslegung nicht unter diesen Tatbestand gefasst werden. Selbst wenn S. im Vorgängerbetrieb nur Hilfsarbeiten verrichtet hätte - wogegen allerdings die Anrechnung dieser Ausbildungszeit auf die nachfolgende Ausbildung spreche - könne das keiner Betriebsschließung gleichgesetzt werden.

Im Berufungsve...

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