Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Leistungsausschluss für Auszubildende. Ausbildungsförderung. Zuschuss zu den ungedeckten angemessenen Unterkunftskosten. Hilfebedürftigkeitsprüfung. Einkommensberücksichtigung. Kindergeld. Bedarfsermittlung. zweckbestimmte Einnahme

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch nach § 22 Abs 7 SGB 2 ist nicht allein nach der Höhe der ungedeckten angemessenen Unterkunftskosten zu bestimmen. Vielmehr ist im Rahmen der Zuschussberechnung nach § 22 Abs 7 SGB 2 eine vollständige Bedürftigkeitsprüfung nach dem SGB 2 unter Berücksichtigung eines (fiktiven) Gesamtbedarfs und eines bereinigten Gesamteinkommens nach den Vorschriften der §§ 7ff SGB 2 vorzunehmen (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 3.6.2008 - L 28 B 819/08 AS ER). Dies schließt insbesondere die Berücksichtigung des an einen nicht im Elternhaus wohnenden, volljährigen Auszubildenden weitergeleiteten Kindergeldes als dessen Einkommen gem § 11 Abs 1 SGB 2 (§ 1 Abs 1 Nr 8 AlgIIV) mit ein (vgl LSG Mainz vom 19.2.2009 - L 5 AS 74/08).

2. Die Vorschrift des § 19 S 2 SGB 2, nach der der Unterkunftskostenzuschuss gem § 22 Abs 7 SGB 2 nicht als Arbeitslosengeld II gilt, hat lediglich zur Folge, dass keine Sozialversicherungspflicht eintritt. Sie ändert nicht die Einordnung des Zuschusses als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts.

3. Im Rahmen der Bedarfsermittlung sind unter Beachtung der Rechtsprechung des BSG, die Kosten für Unterkunft und Heizung um den bereits in der Regelleistung enthaltenen Betrag der Kosten der Warmwasserbereitung zu bereinigen (Anschluss an BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R = BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5). Leistungen der Ausbildungsförderung sind in Höhe von 20 Prozent des Betrags, der nach dem BAföG insgesamt als bedarfsdeckend angesehen wird, zweckbestimmte Einnahmen (vgl BSG vom 17.3.2009 - B 14 AS 63/07 R).

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 17. Dezember 2008 geändert und der Tenor wie folgt neu gefasst:

Der Bescheid des Beklagten vom 11. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Dezember 2007 wird aufgehoben und der Beklagte verurteilt, der Klägerin einen Zuschuss zu den ungedeckten Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren, und zwar

- für die Zeit vom 27. August bis 31. August 2007 in Höhe von 13,55 €,

- für die Zeit vom 01. September 2007 bis 31. Juli 2008 in Höhe von 81,30 € monatlich,

- für die Zeit vom 01. August 2008 bis 31. Oktober 2008 in Höhe von 56,67 € monatlich,

- für die Zeit vom 01. November 2008 bis 30. November 2008 in Höhe von 0,67 €,

- für die Zeit vom 01. Februar 2009 bis 28. Februar 2009 in Höhe von 46,67 €,

- für die Zeit vom 01. März 2009 bis 31. März 2009 in Höhe von 2,67 €,

- für die Zeit vom 01. Juni 2009 bis 30. Juni 2009 in Höhe von 8,67 €,

- für die Zeit vom 01. Juli 2009 bis 12. Juli 2009 in Höhe von 21,81 €.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin zwei Drittel ihrer außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung eines Zuschusses zu den ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 7 des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II).

Die 1987 geborene Klägerin absolvierte in der Zeit vom 21. August 2006 bis zum 12. Juli 2009 erfolgreich eine Ausbildung zur Kosmetikerin an der Berufsfachschule S der Berufsakademie für Wirtschaft. Nach dem am 10. Mai 2006 geschlossenen Berufsausbildungsvertrag war für die Ausbildung ein monatliches Schulgeld in Höhe von 195,00 € zu entrichten. Während der Berufsausbildung nutzte die Klägerin in der Zeit vom 26. August 2007 bis zum 15. Juli 2009 aufgrund eines mit dem U gGmbH in S geschlossenen Nutzungsvertrages vom 09. Juli 2007 einen Wohnheimplatz im “Jugendbegleitenden Wohnen„. Hierfür musste sie ein monatliches Nutzungsentgelt in Höhe von 200,00 € entrichten, das sich für den Monat Juli 2009 mit Blick auf das Ausbildungsende zum 12. Juli 2009 auf (anteilig) 100,00 € belief. Mit Bescheiden vom 30. Juli 2007 und 28. August 2008 gewährte ihr das Amt für Ausbildungsförderung des Landkreises U für die Zeit vom 01. August 2007 bis zum 31. Juli 2008 Leistungen in Höhe von monatlich 412,00 € (348,00 € Grundbedarf - inklusive 52,00 € Unterkunftskosten - und 64,00 € Erhöhungsbetrag an Unterkunftskosten) und für die Zeit vom 01. August 2008 bis zum 31. Juli 2009 Leistungen in Höhe von monatlich 455,00 € (383,00 € Grundbedarf - inklusive 57,00 € Unterkunftskosten - und 72,00 € Erhöhungsbetrag an Unterkunftskosten). Daneben zahlte die Familienkasse für die Klägerin ein Kindergeld in Höhe von 154,00 € monatlich für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 bzw. in Höhe von 164,00 € monatlich für die Zeit ab dem 01. Januar 2009. In der Zeit vom 01. November 2008 bis zum 30. Juni 2009 übte die Klägerin neben ihrer Ausbildung mit Unterbrechungen e...

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